Verschwörungen und Attentate gegen Hitler

Die Aufmärsche auf dem Nürnberger Reichsparteitag veranschaulichen die Diktatur des Führers und die Schwierigkeit, sich Krieg, Terror und Töten zu widersetzen. Die Sicherheitsmaßnahmen für den Führer wurden immer größer, je mehr sich das Regime und der Krieg entwickelten. Sich dem Führer zu nähern, war und bleibt eine Heldentat. Das konnten nur Offiziere aus seinem Umfeld, die heimlich für die Verschwörung arbeiteten.

Christine Levisse-Touzé ist Kommissarin der Ausstellung „Verschwörungen und Attentate gegen Hitler“, die derzeit im „Marschall Leclerc-Memorial und Jean-Moulin-Museum“ in Paris stattfindet. Christine Levisse-Touzé ist gleichzeitig die Direktorin des Museums, das der Befreiung von Paris und der Résistance gewidmet ist und das größte Archiv zum Thema besitzt. In drei Sälen werden ständig die Ereignisse in Paris bis zur Befreiung im August 1944 vor Augen geführt. In einem Saal geht es nun auch um den deutschen Widerstand.

Denn nicht alle Deutschen folgten dem Führer blindlings. Dieser kleinen Minderheit ist die Ausstellung gewidmet, die bis zum April 2004 geht, und danach auch in anderen französischen Museen gezeigt werden soll. Fotos, Dokumente, Zeitungsartikel und ein Film erzählen die Geschichte derer, die sich gegen Hitler engagierten. Museumsdirektorin Christine Levisse-Touzé:

Das ist eine dokumentarische und wissenschaftliche Ausstellung, die die letzten Forschungsergebnisse in Deutschland berücksichtigt. Es gibt keine Originale in der Ausstellung, aber Reproduktionen von Nazidokumenten aus erster Hand, wie die Massaker, die die Einsatzgruppen in der Ukraine im September, Oktober 1941 verübt haben. Selbst wenn man kein Deutsch versteht, begreift man, dass 138.000 Menschen massakriert wurden, Kinder, Frauen, Alte, und natürlich Juden und sowjetische Politkommissare. Das war für manche Offiziere unerträglich. Sie wollten diese Massaker stoppen, und Dokumente wie das hier Gezeigte schafften dafür das Bewusstsein.

In einem 35-minütigen Dokumentarfilm kommen Widerstandskämpfer und Kämpferinnen sowie ihre Kinder oder Ehepartner zu Wort, mit Übersetzung für das französische Publikum.

Das ist ein recht bewegender Film, der alle Tendenzen zeigt. Denn diese Oppositionellen waren Männer und Frauen aus dem rechten wie dem linken Lager, die die Tyrannei und den Tyrannen niederschlagen wollten.

Diese Dokumente werden in Frankreich zum allerersten Mal gezeigt. Die Ausstellung im Pariser Jean Moulin-Museum kam dank der Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin zustande. 99 Prozent der Exponate stammen aus Berlin, aus den Staatsarchiven in Berlin und Potsdam, und aus Privatarchiven der Gegner des Naziregimes, zum Beispiel von der Familie von Georg Elser.

In der Bundesrepublik sprach man lange nur vom Komplott der Offiziere im Juli '44. Erst in den 60er Jahren dann haben deutsche Historiker Archive entdeckt, die vom einsamen Versuch von Georg Elser Zeugnis ablegten. Dieser Schreiner war gegen den Nazismus, ein Linker mit kommunistischen Sympathien, der den Führer töten wollte, um die Massaker zu stoppen und vor allem dem Krieg ein Ende zu machen.

Anfang dieses Jahres kam in Deutschland eine Briefmarke mit dem Konterfei von Georg Elser heraus. Eine schöne Hommage an den Widerstandskämpfer, meint Christine Levisse-Touzé. Das Ziel der Ausstellung in Paris ist es, den Franzosen diesen Aspekt der deutschen Geschichte nahe zu bringen.

Die Franzosen wissen davon nichts, was die Geschichte Deutschlands angeht. So wissen die am besten Informierten, dass es eine Opposition zum Naziregime gab, aber sie wissen nicht viel mehr. Die meist Informierten denken an die „Weiße Rose“. Und es gibt doch noch mehr, selbst wenn es eine winzige Minderheit ist, wie übrigens auch die französische Résistance eine Minderheit war. Die Widerstandsbewegungen gegen die Nazis waren aber noch minoritärer.

Auch wenn die Franzosen über deutsche Geschichte nicht viel wissen, so ist das Interesse an solchen Themen doch groß. Eine Ausstellung 1995 über die Deutschen und den Nationalsozialismus brachte dem recht kleinen Museum 15.000 Besucher.

Die Leute haben einen Wissensdurst. In Deutschland gibt es einen weiteren Aspekt der Geschichte: auf der anderen Seite der Mauer, in der DDR, war nur der Kampf der Antifaschisten gezeigt worden. Nun hat in Deutschland mit der Wiedervereinigung die Stunde der Geschichte geschlagen. Und auch in Frankreich interessiert man sich dafür, in einer Zeit, in der Europa größer wird. Wenn ich unsere Besucher so anschaue, habe ich das Gefühl, die Leute möchten darüber besser Bescheid wissen.

Info:
Die Ausstellung „Verschwörungen und Attentate gegen Hitler“ ist im Marschall Leclerc Memorial und Jean-Moulin-Museum in Paris vom 7. November 2003 bis 30. März 2004 zu sehen.

Quelle: DeutschlandRadio Berlin, 6.11.2003

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