Umbau und Kuratorenstelle der Newton-Foundation in Berlin

Die Nackten sind da! Mit Stöckeln und Peitschen marschieren die „Big Nudes“ vor dem Reichstag auf. Und damit kommt ein Lebenswerk dorthin, wo es auch hingehört: nach Berlin. Wo fände es einen besseren Platz als in der Geburtsstadt des kosmopoliten Künstlers? Nach jahrelangem Hickhack hat Helmut Newton gestern endlich den Vertrag unterschrieben für die „Helmut und June Foundation“. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit bringt es auf den Punkt: „Wir sind stolz und glücklich. Wir können nun einen Teil der Geschichte aufarbeiten. Damit bekommen wir zurück, was sonst nie Berlin verlassen hätte.“

Nun will das agile Fotografenpaar 1.000 Werke der Hauptstadt als unbefristete Dauerleihgabe zur Verfügung stellen, darunter auch Arbeiten von Ehefrau June, die unter dem Künstlernamen Alice Springs in den fünfziger Jahren ihre Karriere begann. Im Juni soll Eröffnung im neuen Domizil Jebensstraße 2, gleich am Bahnhof Zoo, sein.

Fachlich ist die Kollektion bei den Staatlichen Museen in den besten Händen, die sie künftig archivieren und betreuen wird. Newton hat seine Pläne für die Ewigkeit gemacht. „Wenn June und ich abkratzen, geht alles an Berlin!“ Der Akt-Erotomane, der in ein paar Tagen 83 Jahre wird, weiß, dass er in der Stiftung einen verlässlichen Partner – und sein Lebenswerk in seiner Heimatstadt nun eine verlässliche Heimstatt für die Zukunft gefunden hat.

Nur so ist es wohl auch zu erklären, dass Newton selbst tief ins Portemonnaie greift und die Kosten für die museumsgerechte Sanierung des Hauses in der Jebensstraße selbst trägt. Die Spendierhosen des nicht gerade als Verschwender bekannten Fotografen sind groß, zusätzlich will Newton noch einen Kurator finanzieren, der allein für die Dokumentation seiner Werke zuständig ist. Für Betrieb und Unterhalt kommt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz auf.

Sogar die Ausstellungskonzeption steht schon. In fünf Räumen sollen die großformatigen Fotografien zu sehen sein, zwei Räume werden das Frühwerk Newtons zeigen, darunter auch Arbeiten für die „Vogue“. Im zentralen Ausstellungsraum können die Besucher Porträts bewundern, in denen June und Helmut gegenseitig die Linse auf sich richteten („Us and Them“). Zu sehen sein werden dort auch Bilder zum Thema „Sex and Landscapes“.

Newton hat in den letzten Jahren nie einen Hehl daraus gemacht, wie gern er sein Fotoarchiv in seiner Geburtsstadt sähe. Für ihn war es im letzten Jahr wohl längst nicht mehr nur eine Frage des Geldes, sondern vor allem eine emotionale. Mit dieser Rückkehr seines Oeuvres schließt sich ein Kreis. Als 18-Jähriger flüchtete er 1938 aus Berlin, dem Haus in der Jebensstraße galt sein letzter Blick aus dem fahrenden Zug am Bahnhof Zoo. Und passt nicht die urbane, raue Gegend rund um den Zoo, der Beate-Uhse-Shop samt Erotic Art Museum um die Ecke, wunderbar zu den unnahbaren, spröde-verruchten Newtonschen Girls, die von ungestillten Trieben und wildem Sex künden? Nichts ist ihnen doch ferner als eine sterile Museumsaura drumherum. Newton, der den Mode-Glamour und allen Chichi zur Genüge kennt, gefällt das.

In den restlichen Räumen des Gebäudes wollen die Staatlichen Museen einziehen, um ihre Aktivitäten für Fotografie zu bündeln. Bislang hatte das Museum für Europäische Kulturen seine Depots in der Jebensstraße. Die wird es nun räumen müssen, dafür aber ein neues Domizil erhalten. Ab Sommer 2005 wird die Sammlung in den Gesamtkomplex der Dahlemer Museen ziehen, was hoffentlich mehr Besucher bringen wird. Darum wird sich das neue Newton-Museum nicht sorgen müssen. Egal ob man nun Newtons „Big Nudes“ mag oder nicht – so zentral am Zoo gelegen wird das Haus zu einem Touristen-Magneten der A-Liga. Und Berlin kann einmal mehr mit internationalem Flair punkten.

Quelle: Die WELT, 23.10.2003

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