Lange Schatten einer Bluttat im Böblinger Forst

Württembergs Historiker kommen nicht um Köngen herum. Mit der Neckartalgemeinde verbunden ist ein dunkles Kapitel der Landesgeschichte. Das liegt zwar schon ein halbes Jahrtausend zurück, hat aber nichts von seiner Spannung eingebüßt.

Es waren bewegte Zeiten zu Beginn des 16. Jahrhunderts, auch im Württembergischen, wo Herzog Ulrich als Elfjähriger 1498 die Regentschaft angetreten hatte. Es war jener Ulrich, bei dessen Tod ein halbes Jahrhundert später der Esslinger Chronist Dionysius Dreytwein in seinem Tagebuch vermerken sollte, der Herzog sei ein „groß tyrannisierer, der wilden säu vatter“ gewesen. Der Reichsstädter mag in seiner Beurteilung überzogen haben, aber ganz daneben gelegen hat er sicher nicht. In den Augen vieler Zeitgenossen galt Ulrich als heimtückisch, verschwenderisch und grausam, sämtlich Attribute, die dem Landesherrn nicht ohne Grund angehängt worden sind. Einer dieser Gründe dürfte – heute würde man „sex and crime bei Hofe“ dazu sagen – in einem Techtelmechtel zu suchen sein, bei dem eine Frau aus Köngen eine wesentliche Rolle gespielt hat. Ursula von Hutten, Gemahlin des herzoglichen Stallmeisters Hans von Hutten, war als Tochter des Köngener Ortsherrn Konrad Thumb von Neuburg aufgewachsen. Der Papa fungierte als Erbmarschall und zeitweise als Vormund des Herzogs.

So ist ein Stück Köngener Orts- mit der Landesgeschichte verknüpft, sogar mit einer blutigen Episode. Des Herzogs wohlgefällig auf Ursel ruhendes Auge muss im Zorn erglüht sein, als Hans von Hutten die heimliche Liebe des Landesherrn zu seiner Frau hinausposaunte. Bei einer Jagd im Schönbuch erstach Ulrich im Mai 1515 seinen Stallmeister hinterrücks und stellte sich danach als Femerichter hin. Hans von Hutten, so die herzogliche Lesart, soll etwas mit Sabina, Ulrichs Angetrauter, gehabt haben. So recht wollte das niemand glauben, und Ulrich ging in der Folge nicht nur seines guten Rufes, sondern auch für etliche Jahre seiner Herrschaft verlustig.

Ulrich von Hutten, ein Bruder des Gemeuchelten – dieser war übrigens vier Jahre in der Gruft der Köngener Peter-und-PaulsKirche beigesetzt, ehe er in die fränkische Heimat überführt wurde -, sorgte im ganzen Reich für eine „schlechte Presse“. In zahlreichen Pamphleten geißelte der Humanist des Herzogs Schandtat. Rufmord aus politischem Kalkül oder aus gekränkter Familienehre? Georg-Wilhelm Hanna, pensionierter Archivar des Main-Kinzig-Kreises, ist der Sache nachgegangen. Das Studium des Ruheständlers an der Frankfurter Universität mündete in eine umfangreiche Magisterarbeit, die sich mit den politischen Folgen des Mordfalles beschäftigt. Friedrich Karl Freiherr von Hutten sieht in Hannas Werk nicht nur einen Beitrag zur Familiengeschichte der Huttens. Hanna sei es „nach umfangreichem Quellenstudium gelungen, das traditionelle Bild des Herzogs von Württemberg, des Mörders meines Vorfahren Hans, zu korrigieren“. Auch der Köngener Geschichts- und Kulturverein unter seinem Vorsitzenden Bernd Weigel hat die Gelegenheit beim Schopf gepackt, eine Fallstudie mit lokalen Bezügen zu unterstützen. Der Verein gibt Hannas Arbeit als Broschüre heraus.

Bei einem Vortrag am 31.Oktober (20 Uhr) beleuchtet Hanna den Mordfall und seine Folgen. An dem Abend wird auch die 200-seitige Broschüre (16 Euro) verkauft.
 
Quelle: Stuttgarter Zeitung, 23.10.2003

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