Jüdisches Leben im Hochsauerland

Günter Schulte, Historiker und Stadtarchivar in Schmallenberg, türmt einen Bücherstapel vor sich auf. „Ich habe mich gewundert, dass schon so viel da ist“, staunt er. Jüdisches Leben im Hochsauerland: So weit es die Quellenlage hergibt, ist es durch Veröffentlichungen vor allem für das 20. Jahrhundert umfangreich dokumentiert. Ein neues Projekt, das auch die Lokalgeschichte Schmallenbergs und Meschedes streift, kommt nun hinzu.

Günter Schulte in Schmallenberg und Erika Richter aus Meschede, pensionierte Lehrerin und ebenfalls Historikerin, arbeiten daran mit. Die Historische Kommission für Westfalen plant für 2005 die Herausgabe eines aus vier Bänden bestehenden und 1.800 Seiten umfassenden „Handbuchs der jüdischen Gemeinden und Gemeinschaften in Westfalen und Lippe“. 180 Autoren verfassen die mehr als 230 Artikel.

Zwei Beiträge aus Altkreis Meschede

„Ziel des Projekts ist es, die Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Westfalen seit dem 12. Jahrhundert bis heute zu dokumentieren“, erklärt Susanne Freund, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für vergleichende Städtegeschichte in Münster das Projekt redaktionell betreut. „Wir wollen die Juden nicht nur als Opfer, sondern als aktive Mitglieder der Gesellschaft darstellen“, sagt Freund. Soziale, demografische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Aspekte sollen ebenso Thema sein wie die Frage der Integration, aber auch der Antisemitismus.

Bis Ende des Jahres sollen Schulte und Richter ihre Texte abliefern. Stützen können sie sich dabei weitgehend auf schon Veröffentlichtes. „Schmallenberg ist eigentlich recht gut dokumentiert“, betont Schulte. Arbeiten von Alfred Bruns, von Helga Tröster (erschienen in den Schmallenberger Heimatblättern Nr. 55) und Hannelore Schenk sind für ihn die Grundlage. Hinzu kommen Einwohnerverzeichnisse und so genannte „Generalakten“ aus dem 19. Jahrhundert, die im Stadtarchiv auf ihre Auswertung warten.

Gemessen an der reinen Zahl war Schmallenberg mit den 52 Juden, die 1932 gezählt wurden, keine große Gemeinde. Gemessen an der Bevölkerungszahl war sie aber bedeutender als zum Beispiel die in Meschede: etwas mehr als zwei Prozent der Schmallenberger waren jüdischen Glaubens; in der Kreisstadt waren es nur ein Prozent. Und sie waren in das örtliche Leben integriert, betont Schulte. Bis hin zur Mitgliedschaft im Schützenverein.

Ähnliches gilt für Meschede. Von Juden, die ganz selbstverständlich im Gesangverein mitmachten, berichtet Erika Richter. Die vor sechs Jahren erschienene Dokumentation „Jüdische Familien in Meschede“ liefert für sie den Grundstock an Informationen für ihren Beitrag zum Handbuch. An manchen Stellen wird aber auch sie auf Vermutungen angewiesen sein. Beispielsweise bei der Frage, ob die Mescheder Gemeinde dem orthodoxen oder dem liberaleren Teil des Judentums zugerechnet werden muss. Dass in die Synagoge ein Harmonium gestellt wurde, dass es dort spezielle Frauenplätze gab: Fingerzeige sind es, aber zu wenig für eine eindeutige Aussage.

Recherche auch in Familienblatt

Erschwert wird ihre Arbeit dadurch, dass das Archiv der Stadt im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Und so finden sich manchmal Hinweise auf die jüdische Gemeinde Meschedes an Stellen, wo man sie nicht vermutet. Zum Beispiel im „Israelitischen Familienblatt“, das bis 1938 in Hamburg erschien: Notizen über Verlobungen und Ehe-schließungen gibt es dort ebenso wie über aktuelle Ereignisse in der Gemeinde. Einiges bleibt wohl noch zu entdecken.

Quelle: Westfälische Rundschau, 4.10.2003

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