Mit Dr. Wolfgang Podehl, dem stellvertretenden Direktor und Nachlass-Experten der Hessischen Landesbibliothek Wiesbaden (HLB), geht es per Fahrstuhl hinauf ins Magazin. Hinter verschlossener Gittertür lagern Kostbarkeiten des Hauses: Inkunabeln, Rara, Handschriften und Autographen. In die beiden letztgenannten Kategorien gehört der bemerkenswerte Nachlass von Ludwig Jacobowski, einem heute kaum noch bekannten Autor aus dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts.
Seine Produktivität scheint unerschöpflich gewesen zu sein. Jacobowski verfasste Gedichte, Erzählungen, Romane, Dramen, Essays und Kritiken, war Herausgeber, Redakteur und Literaturförderer, verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Mitarbeiter des „Vereins zur Abwehr des Antisemitismus“ und starb 1900 im Alter von nur 32 Jahren in Berlin. Dort hatte er 1899 den aus Künstlern, Schriftstellern, jungen Dichtern, Wissenschaftlern und Boheme bunt gemischten Klub „Die Kommenden“ gegründet, zu dessen Besuchern der blutjunge Stefan Zweig und die unstete Else Lasker-Schüler zählten.
Briefe der Brüder Mann
Im März 1891 schrieb aus Dresden der 20-jährige Buchhandelslehrling Heinrich Mann an Jacobowski: „Ich bin der kühnen Hoffnung, Ihnen nicht ganz unbekannt zu sein“, und schickte für eine geplante „antinaturalistische“ Anthologie mehrere Gedichte. Sein Bruder Thomas Mann, 1899 Redakteur des Münchner „Simplicissimus“, erbat von Jacobowski den Korrekturabzug seiner frühen Novelle „Luischen“. Sie erschien in der von Jacobowski herausgegebenen Halbmonatsschrift für Literatur, Kunst und Sozialpolitik „Die Gesellschaft“. René Maria Rilke, der seinen ersten Vornamen später gegen Rainer austauschte, widmete Jacobowski 1896 in „aufrichtiger, dankbarer Ergebenheit und Wertschätzung“ ein enthusiastisches Gedicht und Altmeister Wilhelm Raabe antwortete 1898 auf das freundliche Interesse des jüngeren Dichters an seinem Lebenswerk.
Zahlreiche Künstler
Mit den Autographen der Genannten sowie zahlreicher anderer, einst oder heute noch prominenter Autoren und Künstler wartet der Jacobowski-Nachlass in der Landesbibliothek auf. Man staunt über die Absender, auch wenn einem nicht bei jedem sofort etwas einfällt:
Detlev von Liliencron, Richard Dehmel, Arno Holz, Karl Kraus, Alfred Kerr, Frank Wedekind, Christian Morgenstern, Otto Julius Bierbaum, der Komponist Hans Pfitzner, der wie Alban Berg und Max Reger Gedichte Jacobowskis vertonte, und Rudolf Steiner, der Antroposoph und enge Freund des Dichters.
Aber auch romantisch-poetisierende junge Damen wandten sich, von ihrem Talent überzeugt, an Jacobowski. So etwa eine 21-Jährige aus Kassel, die sich „Amara Ambrosia“ nannte und für „ein natürlich entsprechend hohes Honorar“ den Abdruck ihres Maigedichtes in Jacobowskis Zeitschrift „gütigst“ gestatten würde. Insgesamt etwa 2300 Nummern umfasst die akribisch geführte Bestandskartei des Nachlasses. Außer den vielen Briefen, die Jacobowski vor allem in seiner Eigenschaft als Herausgeber empfing, enthält er von ihm aufbewahrte Manuskripte, Tagebücher, persönliche Dokumente und Zeitungsausschnitte.
Gegen Antisemitismus
Ludwig Jacobowski war Vertreter einer jungen jüdischen deutschen Intelligenz, die sich um die Wende des 19. Jahrhunderts gegen Antisemitismus und für Assimilation einsetzte. 1868 in Strelno/Posen geboren, übersiedelte er sechsjährig mit seinen Eltern nach Berlin, wo er lebte, arbeitete und starb. Auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee liegt er begraben. Wie kommt sein Nachlass nach Wiesbaden? Ungefähr Anfang der 1970er Jahre wurde die Sammlung durch Vermittlung des in New York lebenden Jacobowski-Biografen Fred B. Stern erworben. Stern hatte sie zwischen 1967 und 1969 nach jahrelangen Forschungen ausfindig gemacht. Unter dem Titel „Auftakt zur Literatur des 20. Jahrhunderts“ gab er 1974 einen Teil der im Nachlass enthaltenen Briefe, Karten und Mitteilungen als Veröffentlichung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt heraus.
In seiner Vorbemerkung zu dieser zweibändigen, kommentierten Ausgabe erwähnt Stern die Hessische Landesbibliothek und ihren langjährigen, ehemaligen Direktor Franz Götting. „Herrn Dr. Götting ist es zu verdanken, dass die Bibliothek die Sammlung erworben und mir Asyl und Bearbeitungsrecht eingeräumt hat.“
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Quelle: Wiesbadener Tagblatt, 10.9.2003
Mord an Stralsunder Bürgermeister war Racheakt
Stralsund. Wir schreiben den 1. November 1409. Nebelschwaden ziehen über den Kirchhof von Bergen. Im schwachen Licht erkennt man eine Gestalt in Kaufmannskleidern. Es ist der Stralsunder Bürgermeister Wulf Wulflam, der etwas zu suchen scheint. Eine zweite Gestalt nähert sich leise von hinten mit einem Stock in den Händen. Wulflam dreht sich ruckartig um, doch es ist zu spät. Einige schwere Schläge führen das Ende des Bürgermeisters herbei. – Diese Version von Wulf Wulflams Tod ist natürlich rein fiktiver Natur. Nur die Tat selbst konnte bis heute wissenschaftlich bewiesen werden. Doch was war nun der Grund für den Mord und wer die zweite Person auf dem Kirchhof?
Wulf Wulflam stand seinem Vater, dem berühmten Stralsunder Bürgermeister Bertram Wulflam, in nichts nach. Ab 1397 zum Bürgermeister gewählt, war Wulf nicht nur der erste Mann in Stralsund, sondern neben dem Lübecker Bürgermeister Heinrich Westhoff auch einer der fähigsten Köpfe der Hanse. Bei einer Vielzahl der wichtigsten Verhandlungen dieser Zeit vertrat er die Interessen Stralsunds und wohl auch seine eigenen. Wie sein Vater, war auch er besonders für die große Politik befähigt, verkehrte mit Königen, Königinnen und Fürsten aller Art und verstand sich mit dem pommerschen Herzogshaus aufs Beste. Bereits 1391 ernannte man ihn zum herzoglichen Rat.
Zu seinen Besitztümern auf Rügen gehörten das Dorf Grabow auf Zudar, das Dorf Bessin bei Altefähr und der Hof Luppath bei Poseritz. Auf dem Hof Luppath oblag ihm nicht nur die niedere Gerichtsbarkeit, er konnte ab 1403 auch über Leben und Tod seiner Untertanen entscheiden. Doch diese Macht und Herrlichkeit sollte bald ein Ende finden.
Unter den guten Freunden, die Wulf vielfach unter dem Adel der Umgegend hatte, befand sich auch der einflussreiche rügensche adlige Starke Suhm. Doch aus Freundschaft wurde bald bittere Feindschaft, die im Tod endete. Am Tag vor Fastnacht, dem 2. März 1405, wurde Starke Suhm, als er mit seinem Sohn Thorkel von Stralsund nach Rügen über die alte Fähre übersetzen wollte, von Mitfahrenden überfallen und ermordet. Sein Sohn verdankte seine Rettung nur dem Fährmann, der durch einen falschen Eid beteuerte, dass dies nicht der Sohn des Starke Suhm sei. Schnell waren sich die Getreuen des adligen Suhm einig, dass Wulf Wulflam den Mord in Auftrag gegeben hatte. Welche Gründe für die Eskalierung der Gewalt zwischen den Familien maßgebend waren, liegt noch im Dunkeln. Als man den Leichnam vor das Bürgermeisterhaus legte, soll dieser aus dem Saal gerufen haben: „Schafft mir das Beest fort!“
Am 1. November 1409 bot sich auf dem Kirchhof zu Bergen endlich die Gelegenheit für Thorkel Suhm, seinen Vater zu rächen und einen der mächtigsten Bürgermeister Stralsunds und wichtigsten Männer der Hanse zu töten. Als die Kunde von Wulfs Tod nach Stralsund drang, setzte sofort die wehrhafte Bürgerschaft nach Rügen über, um ihren Bürgermeister zu rächen. Der Täter war natürlich schon entflohen, und so begnügten sich die Stralsunder damit, seinen Hof in Kaiseritz zu plündern und zu verwüsten. Eine lange Fehde zwischen dem Geschlecht der Suhms und Stralsund begann. Erst am 21. Juni 1414 griff Herzog Wartislaw VIII. ein. In einer im Stadtarchiv Stralsund aufbewahrten Urkunde legte er fest, dass die Suhms 1800 Mark Sundisch als Entschädigung bekommen, dafür aber die Hand Wulf Wulflams, das Symbol des Verbrechens, feierlich mit 200 Rittern und Knappen sowie 200 Frauen und Jungfrauen in der St. Nikolaikirche zu Grabe tragen sollten.
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Hansestadt Stralsund,
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Fax: (0 38 31) 66 64 64
Quelle: Ostseezeitung, 10.9.2003
Desinformation durch östliche Nachrichtendienste
Um die Gespenster des Kalten Kriegs zu wecken, genügen manchmal ein paar Karteikarten. Von der Stasi einst angelegt, von der CIA nach der Wende in der bis heute geheimnisumwitterten «Operation Rosenholz» in die USA geschafft, deuten diese Karteikarten nun auf eine mehrjährige Tätigkeit des Kölner Journalisten Günter Wallraff als ostdeutscher Einflussagent hin. Die Abteilung, die Wallraff als ihren Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) mit dem Decknamen «Wagner» registriert hatte, war eine schillernde Truppe im kleinen Reich von Markus Wolf, dem Chef der ostdeutschen Auslandspionage. Die «Abteilung X» der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) befasste sich mit der Beeinflussung der westlichen Öffentlichkeit und Desinformationskampagnen. Sie mischte Wahres mit Falschem, reicherte beispielsweise das Protokoll eines abgehörten Telefongesprächs des CSU-Vorsitzenden Strauss um brisante, aber frei erfundene Zitate an und lancierte ihre Phantasieprodukte in den nur allzu begierigen westdeutschen Medien.
Das Kennedy-Komplott
Die Idee, systematisch Desinformation zu betreiben, stammte eigentlich vom KGB, das schon in den fünfziger Jahren die sogenannte Linie A gegründet hatte. Der Buchstabe A stand für «aktive Massnahmen», den sowjetischen Euphemismus für Schmutzkampagnen aller Art. So versorgte man in den sechziger Jahren amerikanische Verschwörungstheoretiker mit Material über eine angebliche Verwicklung der CIA und rechtsextremer Kreise in die Ermordung Präsident Kennedys. Nicht erst heute stossen abstruse Theorien, die etwa hinter den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 das finstre Treiben der Geheimdienste wittern, auf Resonanz – und so konnte die New Yorker Residentur des KGB nach Moskau melden, welch guten Absatz die mit sowjetischem Geld bezahlten Broschüren und Bücher zum angeblichen Kennedy-Komplott fanden.
Auch die Stasi unterhielt in den fünfziger Jahren für Desinformation ein kleines Referat, damals noch als Anhängsel der auswertenden Abteilung. Sechs oder sieben Offiziere deckten mit Hilfe der von der Roten Armee erbeuteten Nazi- Archive die braune Vergangenheit westdeutscher Politiker und Magistraten auf. Manchmal erfand man kurzerhand eine einschlägige Belastung wie im Fall von Bundespräsident Lübke, den man als KZ-Baumeister verunglimpfte. Da das KGB die Stasi wie alle anderen Nachrichtendienste der Satellitenstaaten bedrängte, ihre Desinformations-Aktivitäten auszubauen, gründete man im Jahr 1966 in Ostberlin hierfür eine eigene Abteilung im Rahmen der HVA. Die bis zu ihrer Auflösung von Oberst Rolf Wagenbreth geleitete Abteilung wuchs auf 60 Mitarbeiter an, die zuletzt 100 fest angeworbene IM und noch einmal die gleiche Zahl von anderen Informanten hauptsächlich in der Bundesrepublik führten. Insgesamt hatte die HVA kurz vor ihrem Untergang je nach Zählweise 1500 bis 2000 Quellen im Westen. Nahezu alle sind inzwischen enttarnt worden.
Stasi-Pressedienst für die FDP
Die Informanten der Abteilung X waren oft Journalisten, die als Einflussagenten der SED genehme Berichte publizierten oder nach Ostberlin weitergaben, was sie bei ihren Recherchen etwa von Bonner Politikern erfahren hatten. Im Fall Wallraff erwecken die Unterlagen den Eindruck, dass der Kölner Autor in den sechziger Jahren ein kleines Rädchen einer Propagandamaschinerie war, die ein angebliches westdeutsches C-Waffen- Programm anprangerte. Nicht immer wussten Journalisten, von wem sie Material für ihre Artikel erhalten hatten, und die Liste der von der Stasi auf diese Weise versorgten Redaktionen liest sich wie ein «Who is who?» der linksliberalen Medienszene der Bundesrepublik. Die Abteilung X führte aber auch Politiker, Professoren und über einen Mittelsmann die Vereinigung «Generale für den Frieden», in der hohe Nato- Offiziere wie der westdeutsche General Bastian gegen den Nachrüstungsbeschluss der Allianz agitierten. Die umtriebige HVA-Abteilung gab über Strohmänner sogar Informationsdienste im Westen heraus: Eines dieser Blättchen beschäftigte sich mit dem Innenleben der FDP; ein anderes berichtete – gespickt mit Insiderinformationen – über Interna des Bundesnachrichtendienstes (BND).
Die Ignoranz im Westen
Wallraff war also kein Einzelfall. Ob der Autor ein regulärer IM war oder, wie von ihm behauptet, ohne sein Wissen abgeschöpft wurde, ist letztlich irrelevant. Als linker Kritiker der Bundesrepublik betrieb er über einige Jahre das Propaganda-Geschäft der DDR. Für die Abteilung X zählte nicht die formelle Verpflichtung, sondern der Erfolg in einer Grauzone der deutsch-deutschen Zweistaatlichkeit, in der sich Konfrontation und Kooperation auf eine selbst für Beteiligte nicht immer durchschaubare Weise vermischten. Erstaunlich an dieser Facette des kalten Kriegs ist allenfalls, wie lange sich die westliche Öffentlichkeit weigerte, sie zur Kenntnis zu nehmen.
Spätestens seit der tschechoslowakische Desinformations-Spezialist Ladislav Bittman 1968 übergelaufen war, wussten die westlichen Nachrichtendienste über die Praktiken der Gegenseite im Detail Bescheid. Das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz zeichnete in den achtziger Jahren faktenreich die Tätigkeit der Abteilung X nach. Doch in der Öffentlichkeit wurden entsprechende Berichte als Propaganda kalter Krieger abgetan oder als inopportun für die Entspannung zwischen Ost und West betrachtet. Zu dem von Bonn betriebenen (und über den engen Bereich der Desinformation hinausreichenden) «geheimdienstlichen Appeasement» gehört auch, dass die westdeutsche Politik Hemmungen hatte, es Ostberlin mit gleicher Münze heimzuzahlen. Während die DDR ihre Ständige Vertretung in Bonn zu einer Zentrale der HVA ausbaute, lehnte es die Bundesregierung aus Furcht vor diplomatischen Verwicklungen ab, von ihrer Repräsentanz in Ostberlin aus den BND operieren zu lassen.
Was hat die Desinformation bewirkt?
Im Jahr 1990 ging dann allerdings die DDR unter und nicht die Bundesrepublik – auch dies ist ein Teil der Geschichte der Abteilung X. Die Wirkung der ostdeutschen Desinformation blieb letztlich begrenzt, und dies nicht nur, weil sich das politische wie wirtschaftliche System der Bundesrepublik tagtäglich als überlegen erwies. Die meisten Operationen erzielten selbst in ihrem engeren Umfeld nur beschränkte Effekte. Die Propaganda gegen den Nato-Doppelbeschluss verhinderte die Nachrüstung nicht, die gezielt lancierten Artikel und Pressedienste vermochten letztlich wenig gegen das Übermass an objektiver Information auszurichten. Die Arbeit der Abteilung X ist daher ein Beispiel für das in den Spiegelkabinetten der Geheimdienstwelt nicht selten anzutreffende L'art pour l'art: kunstvoll eingefädelte Täuschungsmanöver, die dem Gegner nicht wirklich schaden.
Dies war einer der Gründe, weshalb der Bundesnachrichtendienst nach wenigen Gehversuchen in diese Richtung Anfang der achtziger Jahre auf ähnliche Kampagnen gegen den Osten verzichtete. Zum anderen setzt Desinformation eine unzensierte Presse voraus, die vermeintliche Enthüllungen zum Nachteil der eigenen politischen Eliten publizieren kann. So konzentrierte sich die im Bereich der «black propaganda» durchaus aktive CIA auf die Beeinflussung der Öffentlichkeit in freien und halbfreien Ländern; in Guatemala löste die CIA im Jahr 1954 mit einem angeblich von Rebellen betriebenen Radiosender einen Putsch aus. Hinter dem Eisernen Vorhang erzielte man dagegen die grösste Wirkung mit der Verbreitung wahrheitsgemässer Informationen.
Letzte Hochphase des Kalten Krieges
Kein Geheimdienst in Ost oder West arbeitet ohne Pannen, und so liest sich das Ende der Abteilung X wie ein skurriles Postskriptum zu vier Jahrzehnten Auslandspionage. Das unter anderem Wallraff belastende «Rosenholz»-Material mit Angaben zu allen Quellen der HVA im Ausland soll Anfang 1990 über KGB-Offiziere in Moskau nach Amerika gelangt sein, wie etwa der frühere Chef der Osteuropa-Aufklärung in der CIA, Milt Bearden, in seinem in diesem Jahr veröffentlichten Buch «The Main Enemy» behauptet. In anderen Versionen ist sogar davon die Rede, dass die russischen Mittelsmänner anschliessend unter mysteriösen Umständen zu Tode kamen. Die Wahrheit ist vermutlich prosaischer. Nach Überzeugung westdeutscher Nachrichtendienste kaufte die CIA die Dateien direkt von Mitarbeitern aus dem Stab des HVA- Chefs. Markus Wolf legte Wert auf flache Hierarchien und die Verwaltung von Agenten-Daten durch die unmittelbar sich damit befassenden Abteilungen. In den achtziger Jahren griffen in den Nachrichtendiensten des Ostblocks jedoch Bürokratisierung und eine regelrechte Paranoia um sich. Nach dem Nachrüstungsbeschluss war das KGB von der Idee besessen, die Nato plane einen Atomkrieg. Der Kalte Krieg erlebte eine letzte Hochphase. Die Leitung der Stasi wiederum witterte nach dem Überlaufen des HVA-Oberleutnants Werner Stiller in die Bundesrepublik im Jahr 1979 überall potenzielle Verräter in Wolfs Truppe. In der HVA verschärfte man die Sicherheitsbestimmungen und begann, heikle Daten zusätzlich im Stab zu verwalten. Obwohl die Stasi dank eigenen Quellen bei der Nato die Gefahr eines Nuklearkriegs für gering hielt, nahm auch hier die Militarisierung zu. Für den Kriegsfall wurden Agenten-Daten kopiert; dies vergrösserte den Kreis der Personen mit Zugang zum Allerheiligsten abermals.
Als dann der Ernstfall in Form der Wiedervereinigung eintrat, glaubte die HVA, sie habe als einziger Bereich der Stasi alle ihre Agentenverzeichnisse gelöscht. Doch inzwischen waren zu viele Kopien vorhanden, und so fanden schliesslich unter anderem die Daten der Abteilung X ihren Weg in westliche Hände. Die für ihre Professionalität bekannte HVA hatte sich zuletzt mit ihren eigenen Waffen geschlagen.
Quelle: NZZ, 10.9.2003
Sommerprogramm der Museen Göppingens sehr gut besucht
Das Interesse an der Stadtgeschichte Göppingens ist groß. Die Veranstaltungen im Sommerprogramm des Archivs und der Museen waren bestens besucht. Doch ausgerechnet zur 850-Jahr-Feier der Stadt wird das Budget für derlei Extras knapp.
Zum ersten Mal haben das städtische Archiv und die Museen in den Ferien ein „Sommerprogramm“ angeboten. Jeden Donnerstag um 18 Uhr wurden Veranstaltungen zur Stadtgeschichte durchgeführt. Mal eine Führung zu den Wurzeln der Staufern am Hohenstaufen, mal ein Blick ins Stadtarchiv, mal ein Abend über den verheerenden Stadtbrand und den Neuaufbau Ende des 18. Jahrhunderts.
„Die Veranstaltungen waren allesamt sehr gut besucht“, blickt der Stadtarchivar Karl-Heinz Rueß auf das Sommerprogramm zurück. Manche Führungen wie den Stadtspaziergang auf den Spuren des Baumeisters Heinrich Schickhardt hätte man gar dreimal anbieten können, so groß war der Andrang. „Wir hatten bestimmt 100 Interessenten, aber mit mehr als 30 Personen kann man nun mal nicht den Turm der Stadtkirche besteigen oder das Badhaus im Christophsbad besichtigen“, erklärt Rueß. Die Donnerstagsveranstaltungen waren aber längst nicht alles.
Trotz regnerischem Wetter waren am vorvergangenen Wochenende rund 2000 Besucher zum Museumsfest in den Garten des städtischen Museums gekommen. Zu Beginn der Ferien fand beim Naturkundemuseum in Jebenhausen das schon traditionelle Steinzeitwochenende statt, und erst am Samstag im jüdischen Museum zum europäischen Tag der jüdischen Kultur ein Vortragsabend.
Die Fülle der Angebote ist erstaunlich, denn immerhin mussten auch Stadtarchiv und Museen zu Beginn des Jahres eine Budgetkürzung hinnehmen. „Das waren zwar nur 20 000 Euro, doch wenn man bedenkt, dass wir insgesamt in unserem Budget nur etwa 90 000 Euro für Sachkosten, Werbung, Veröffentlichungen, Ausstellungen und Ähnliches frei zur Verfügung haben, dann macht das schon viel aus“, so Rueß.
Vor allem bei den Publikationen und im Archiv will er das Geld einsparen. „Dann wird halt die eine oder andere Restaurierung geschoben“, so Rueß. Am Veranstaltungsprogramm will er aber vorerst keine Abstriche machen. „Wir brauchen das Publikum. Wenn wir eine Ausstellung streichen, dann kommen keine Leute ins Museum, dann verkaufen wir auch weniger“, so der Stadtarchivar.
„Die ganzen Veranstaltungen wären aber ohne ehrenamtliche Helfer in der Form nicht machbar“, erklärt Karl-Heinz Rueß. Für das Museumsfest seien die Helfer das ganze Wochenende über auf den Beinen gewesen. Bestes Beispiel für die ehrenamtliche Mithilfe sei aber wohl der für das museumspädagogische Programm so wichtige Steinzeitgarten beim Naturkundemuseum, den Winfried Poltrack in ehrenamtlicher Arbeit nahezu im Alleingang aufgebaut habe.
Außerdem kann Karl-Heinz Rueß gleich auf die Unterstützung mehrerer Vereine zurückgreifen. „Wir arbeiten eng mit dem Geschichts- und Altertumsverein, der Gesellschaft für staufische Geschichte und dem Naturkundeverein zusammen“, sagt Rueß. Ein Ergebnis dieser Vernetzung ist das „GP“, das Göppinger Geschichtsprogramm.
In enger Absprache koordinieren die unterschiedlichen Akteure auf dem Terrain der Heimatgeschichte ihre Veranstaltungen. So entsteht ein reichhaltiges und abwechslungsreiches Programm, das jetzt mit dem Vortrag im jüdischen Museum in das letzte Jahresdrittel gestartet ist und am kommenden Sonntag mit Führungen über den jüdischen Friedhof in Jebenhausen, den Hauptfriedhof und in der Oberhofenkirche fortgesetzt wird. „Mit diesem Programm erreichen wir mehr Leute, als wenn jeder Verein nur seine eigenen Mitglieder anschreibt“, so Rueß.
Auf diesen Rückhalt zählt Karl-Heinz Rueß auch im kommenden Jahr. Immerhin stehen die Feiern zum 850-Jahr-Jubiläum der Stadt an. Mehr Geld hat das Stadtarchiv im Jubiläumsjahr allerdings nicht zur Verfügung. „Wir hoffen auf das gleiche Budget wie in diesem Jahr. Allerdings haben wir jetzt noch von den Budgetresten von 2002 zehren können. Das ist nicht mehr möglich“, so Rueß. Beklagen will er sich aber nicht.
Stattdessen wird eifrig am Jubiläumsprogramm gebastelt. „Es gibt viele Ideen, und im Sommer werden wir im Storchen auf jeden Fall eine Ausstellung zur Stadtgeschichte im Zeitraffer machen, kündigt er an. „Dazu könnte man auch Filmdokumente aus Göppingen von 1909 bis heute zu einem kleinen Film zusammenstellen, aber ob wir das finanzieren können, ist noch offen“, so Rueß.
Kontakt:
Hausanschrift: Schlossstraße 14, Alter Kasten, 73033 Göppingen
Postanschrift: Stadt Göppingen Archiv und Museen, Postfach 11 49, 73011 Göppingen
Telefon:
Archivleiter Dr. Karl-Heinz Rueß: 07161 / 97 95 22
Dipl.-Archivar (FH) Martin Mundorff: 07161 / 97 95 20
Telefax: 07161 / 97 95 21
eMail: archiv-museen.stadt.goeppingen@t-online.de
Quelle: Stuttgarter Zeitung, 9.9.2003
Sammlung ist Herzstück des Wiesbadener Archivs
Eine neue Serie über wichtige Nachlässe eröffnete das Wiesbadener Tagblatt heute mit einer Folge über das Vermächtnis Ludwig Gärtners. In seinem Testament vermachte der 1864 in Wiesbaden geborene Justizbeamte und Heimatforscher Ludwig Gärtner 1949 der Stadt seine umfangreiche Sammlung „Wiesbadener Erinnerungen, Bücher und Bilder“.
Unterlagen der Stadtverwaltung seien heute das „Hauptgeschäft“ des Wiesbadener Stadtarchivs, erklärt dessen Mitarbeiter Jochen Dollwet. In ihrer Archivsatzung verpflichtet die Landeshauptstadt Wiesbaden ihre Dezernate, Ämter und Betriebe, alles Schriftgut und alle sonstigen Informationsträger, die zur aktuellen Aufgabenerfüllung nicht mehr benötigt werden, „unverzüglich auszusondern und dem Archiv zur Übernahme anzubieten.“ Das bedeute nicht, dass man alles nehme, meint Dollwet. Es müsse schon historischen Wert haben.
Neben den städtischen Akten bewahrt das Archiv auch Nachlässe, Sammlungen und einzelne Schriftstücke aus dem Besitz von Privatpersonen, Verbänden und Parteien. Beim Blättern in der Bestandsübersicht trifft man auf bekannte Namen, etwa die der beiden ehemaligen Wiesbadener Oberbürgermeister Carl von Ibell (1847-1924) und Georg Buch (1903-1995).
Vermutlich weniger geläufig dürfte dagegen der Name des Justizbeamten und Heimatforschers Ludwig Gärtner (1864-1953) sein. Seine in den 1940er Jahren testamentarisch verfügte „Stiftung Ludwig Gärtner“ rangiert bis heute an erster Stelle der „Privata“ des Stadtarchivs.
Nicht allein wegen ihres Umfangs – immerhin 409 Mappen und sieben Regalmeter – handelt es sich um einen wichtigen Nachlass, dessen Bedeutung die Archivmitarbeitern noch heute zu würdigen wissen. Ohne Gärtners Stiftung, so heißt es, wäre in den vergangenen fünfzig Jahren das Wiesbadener Stadtarchiv als Institution sehr wahrscheinlich nicht lebensfähig gewesen. Gärtners umfangreiches und vielseitiges Material zur Vergangenheit Wiesbadens bildete den Grundstock für die öffentlich nutzbare Bibliothek des Stadtarchivs, dessen Foto-, Postkarten- und Plakatsammlung sowie die Sammlung der Stiche und Zeichnungen.
Vor allem aber die 1911 von Gärtner angelegte Kartei mit bibliographischen Nachweisen zur Stadtgeschichte ist noch heute „Herzstück“ der Auskunftstätigkeit des Stadtarchivs. Bis zu seinem Tod 1953 hat Gärtner über 10.000 Literaturstellen darin verzeichnet. Von der Aartalbahn und Adlerapotheke über Mundart, Neroberg, Prinzenraub, Rathaus oder Postkutsche bis „Zum schwarzen Rappen“ findet man zu fast jedem Stichwort, das einem so einfällt, mindestens einen Literaturhinweis.
Im Fall „Postkutsche“ beispielsweise kann man unmittelbar zu einem Band der von Gärtner seit 1926 gesammelten Zeitungsausschnitte greifen und erfährt beim Lesen eines Tagblatt-Artikels aus dem Jahre 1939, dass „wegen Eröffnung des Schienenweges Wiesbaden-Langenschwalbach“ am 15. November 1889 die letzte Stunde des hiesigen Postkutschenverkehrs nach Rüdesheim geschlagen hatte. Da wir gerade das Tagblatt erwähnten und das Staatstheater in Wiesbaden der Sanierung bedarf, sei auch noch die von Gärtner aufbewahrte Probenummer unserer Zeitung vom 16. September 1852 zitiert. Die nur vierseitige Ausgabe machte unter anderem bekannt, dass „bei Erneuerung des Oelfarbenanstrichs an der Blitzableitung des hiesigen Theaters vorkommende Dachdecker-, Schlosser und Tünchearbeiten … öffentlich wenigstnehmend auf dem Rathause dahier versteigert“ werden. Gemeint war damals allerdings das alte Theater.
Wie es sich Gärtner gewünscht hatte, konnte seine Kartei im Rahmen der personellen Möglichkeiten des Stadtarchivs bis 1997 fortgesetzt werden, zwar nur „rudimentär und unsystematisch“, aber immerhin. Eine elektronische Erfassung der inzwischen auf insgesamt 165.000 Datensätze angewachsenen Kartei erfolgte in den Jahren 1992 bis 1997. Zu Recht gilt die Gärtner-Kartei allgemein als Generalkatalog für eine „Auskunftei Stadtarchiv“ und hat auch dieser Serie über Nachlässe in Wiesbaden gute Dienste erwiesen.
Gärtners Sammlung war zwischen 1942 und 1945 im Wiesbadener, nach dem Krieg im Biebricher Rathaus untergebracht und öffentlich zugänglich, wie ein Besucherbuch der Jahre 1942 bis 1953 belegt. Aus dem reichen Bestand der Gärtnerschen Hinterlassenschaft veröffentlichte Jochen Dollwet 1994 das Tagebuch des Uffenheimer Stadtvogts Ludwig Friedrich Christoph Schmid über seinen Kuraufenthalt 1765 in Wiesbaden („Wer an seinem Schöpfer sündiget …“, Schriften des Stadtarchivs Wiesbaden, Band 3).
Kontakt:
Stadtarchiv Wiesbaden
Im Rad 20
65197 Wiesbaden
Telefon: 0611 / 31-3329, 31-3747, 31-5429
Fax: 0611 / 31-3977
E-Mail: stadtarchiv@wiesbaden.de
Quelle: Wiesbadener Tagblatt, 9.9.2003
Heiligenhauser Schulbilder 1920-1970
Ein beliebtes Wanderziel war für Heiligenhauser Lehrer und Pennäler stets das „Paradies“. So verwundert es nicht, dass auch das eine oder andere Klassenfoto in dem beschaulichen Vogelsangbachtal entstanden ist.
Eine dieser Aufnahmen ziert nun den Umschlag des Bildbandes „Heiligenhauser Schulbilder 1920-1970“, der von dem Wülfrather Stadtarchivar Hartmut Nolte und Heimatforscher Siegfried Hitzbleck zusammengestellt wurde. Das in den 1930er Jahren aufgenommene Coverfoto zeigt einen „gut gelaunten“ Lehrer Josef Rost mit einer Klasse der Katholischen Ortsschule. Die Kinder stehen wohlgeordnet, präsentieren sich aber immerhin lächelnd.
Was im Angesicht des zumeist vom Lehrer „einbestellten“ Fotografen beleibe nicht immer der Fall war. Ernst dreinblickend, die Hände züchtig an Rock- bzw. Hosennaht oder vom Fotografen „wie die Orgelpfeifen“ positioniert kamen häufig die anlässlich der Einschulung in die Lehranstalt oder Entlassung aus derselben abgelichteten Mädchen und Jungen daher. Nicht selten wurde das Schild „Zur Erinnerung an meine Schulzeit“ daneben gestellt, das Kind mit aufmunternden Worten zu einem Lächeln animiert.
Doch die Fotoauswahl ist breit gestreut, zeigt beileibe nicht nur ernst schauende Heranwachsende. Vielmehr gelingt hier auf 128 Seiten ein interessanter Streifzug durch die Heiligenhauser Bildungsinstitutionen. Neben den Schulen im Ort und den Landschulen in den zugehörigen Honnschaften finden sich die weiterführenden Einrichtungen, Szenen aus dem Unterricht, prägende Lehrerpersönlichkeiten (gerne hinterm Pult), Aufnahmen von Wandertagen und Klassenfahrten. Den Themen Schülerspeisung, Sport und Schüleraustausch ist darüber hinaus ein eigenes Kapitel mit eindrucksvollen Bildern gewidmet.
Hartmut Nolte trug gemeinsam mit Siegfried Hitzbleck die schulischen Fotoschätze zusammen. Hitzbleck, seit Jahren erklärter Sammler Heiligenhauser Fotografien, konnte neben den Bildern auch noch etliche Geschichten und Anekdoten beisteuern. „Es ist erstaunlich, wie viele Menschen ihre damaligen Mitschüler noch heute identifizieren können. Eine ältere Dame, sie war 82 Jahre, wusste darüber hinaus noch genau Nettes und auch weniger Nettes über ihre Klassenkameraden zu erzählen“, berichtet Hitzbleck über einen seiner vielen Hausbesuche. Historiker Nolte hingegen war beim Buchprojekt für die Fakten zuständig. „Insbesondere das Datieren der Fotos ist eine Sache für sich“, erklärt der Archivar, der viele Informationen den im Museum Abtsküche ausliegenden „Schulbüchern“ entnehmen konnte. „Wie hoffen natürlich auf weitere Hinweise der Leser“, ergänzt er.
Info:
Heiligenhauser Schulbilder 1920-1970
Reihe Archivbilder
128 Seiten , 200 Bilder , 300 g , 16,5 x 23,5 cm, Broschur
ISBN: 3-89702-604-X
Preis: 17,90 €
Kontakt:
Stadtarchiv Wülfrath
Herr Nolte
Wilhelmstraße 146
42489 Wülfrath
Telefon: 02058 895771
Email: u.nolte@stadt.wuelfrath.de
Quelle: WAZ, 8.9.2003
Wien: Ein Archiv kehrt zurück
Aus Anlass der Wiedereröffnung des sanierten Gebäudes des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien, einer Abteilung des Österreichischen Staatsarchivs, findet Ende September eine internationale Tagung statt, die sich mit den Beständen des Hauses und deren Bedeutung für die Geschichtswissenschaften beschäftigt.
„Die Bedeutung des Haus-, Hof- und Staatsarchivs für die Geschichtswissenschaft“
Österreichisches Staatsarchiv, Wien
24.09.2003-25.09.2003, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Minoritenplatz 1, 1010 Wien, Dachfoyer
P R O G R A M M: http://www.oesta.gv.at/deudiv/aktuelle.htm
Kontakt:
Thomas Just
Österreichisches Staatsarchiv, Abt. HHStA
Minoritenplatz 1, A-1010 Wien
+43-1-53115-2518
+43-1-53115-2501
thomas.just@oesta.gv.at
http://www.oesta.gv.at
Der ARCHIVAR Beiband 8 erschienen
Pünktlich zum kommenden Deutschen Archivtag in Chemnitz erschien jetzt die Tagungsdokumentation des 73. Deutschen Archivtags in Trier 20
Inhaltsverzeichnis:
Eröffnung des 73. Deutschen Archivtags in Trier, Begrüßung
- Professor Dr. Volker Wahl, Vorsitzender des VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare (15)
Grußworte
- Professor Dr. E. Jürgen Zöllner, Staatsminister für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur Rheinland-Pfalz (21)
- Dr. Cornel Meder, Direktor des Nationalarchivs von Luxemburg (25)
- Grußwort und Einladung zum XV. Internationalen Archivkongress 2004 in Wien
Professor Dr. Lorenz Mikoletzky, Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs und Vizepräsident des ICA (27)
Eröffnungsvortrag
- Winfried Becker: Die postmoderne Geschichtstheorie und die Dokumente (31)
Sektion I: Archivwissenschaft und Historische Hilfswissenschaften
- Robert Kretzschmar: Einführung (55)
- Eckart Henning: Die aktuelle Lage der Historischen Hilfswissenschaften in der Bundesrepublik Deutschland (59)
- Klaus Neitmann: Überlegungen zur archivischen Erschließung von spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Amtsbuchüberlieferungen (71)
- Wilfried Reininghaus: Quellenkunde und Quellenkritik aus der Sicht der Archive und der neueren Geschichte (91)
- Botho Brachmann: Zum Verhältnis von Archivwissenschaft und Aktenkunde im Rahmen des Workflow-Managements (99)
- Volker Schockenhoff: Useless Information? Archivwissenschaft und ihre Perspektiven in der Informationsgesellschaft (105)
- Benedikt Mauer: Zusammenfassung der Diskussion (115)
Sektion II: Die Rolle der Archive im Netzwerk der Forschung
- Günter Buchstab: Einführung (121)
- Michael Schneider: Von zentraler Bedeutung für die Zeitgeschichtsforschung: Die Archive der politischen Stiftungen (123)
- Elke Hauschildt: Das Forschungsprojekt „Geschichte der Sozialpolitik“ (131)
- Thomas Bardelle: „Historische Quellen frisch auf den Tisch“. Die Verzahnung archivischer und historischer Forschung am Beispiel des DFG-Projekts „Finanzverwaltung und Judenverfolgung“ (137)
- Ulrich Hussong: Historische Forschung als Aufgabe von Kommunalarchiven (143)
- Raymond Plache: Die Zusammenarbeit des Sächsischen Bergarchivs Freiberg und der Technischen Universität Bergakademie Freiberg (151)
- Alexandra Lutz: Zusammenfassung der Diskussion (161)
Sektion III: Archivrecht und Forschungsfreiheit
- Diether Degreif: Einführung (165)
- Rainer Polley: Die Schutzfristverkürzung – Dogmatische Bemerkungen zu einem Alltagsproblem (169)
- Udo Schäfer: Sackgasse – Zur Übermittlung personenbezogener Daten aus Archivgut vor Ablauf der Schutz- und Sperrfristen (181)
- Gerold Bönnen: Datenschutz im Archivwesen – Anmerkungen aus der Sicht eines Stadtarchivs (195)
- Matthias Rest: Die Zwischenarchive des Bundes im Spannungsfeld zwischen Sicherung und Nutzung (205)
- Georg Lilienthal: Die Doppelfunktion von Gedenkstätten als Archive und als Archivbenutzer (221)
- Gudrun Kling: Das historische Archiv der Post-, Telegraf- und Telefon-Unternehmen der Schweiz in Bern (229)
- Kathrin Borrmann: Zusammenfassung der Diskussion (235)
Sektion IV: Archive als Dienstleister der Forschung – Erwartungen und Möglichkeiten eines zeitgemäßen Angebots
- Norbert Reimann: Einführung (237)
- Reiner Nolden: Das Stadtarchiv und die Stadtbibliothek Trier als stadt- und landesgeschichtliche Forschungsstätte (239)
- Ulrich Nieß unter Mitarbeit von Hans-Joachim Hirsch: Findmittel multimedial – Eine Antwort auf die Internetgeneration? (247)
- Dieter Heckmann: Historische Hilfswissenschaften als Portale zu digitalisierten Beständen (259)
- Rolf-Ulrich Kunze: Das Projekt „Wanderungsbewegungen im Umfeld der Revolution 1848/49“ und die Massenauswanderung aus dem deutschen Südwesten, 1840-1866 (267)
- Peter Rückert, Alois Haidinger: Wasserzeichen im Internet: Zur Digitalisierung der Wasserzeichenkartei Piccard und der Wasserzeichen Klosterneuburger Handschriften (283)
- Thomas Aigner: „Um auch von Seite des hiesigen Stiftes zur Landeskunde Österreichs ein Schärflein beizutragen …“ – Strategien zur digitalen Bereitstellung historischer Quellen aus den Archiven der niederösterreichischen Ordensstifte (295)
- Helge Kleifeld: Zusammenfassung der Diskussion (307)
Gemeinsame Arbeitssitzung: Archive und Historische Forschung
- Hans Ammerich: Einführung (309)
- Theo Kölzer: Welche Erwartungen hat der Mittelalter-Historiker an die Archive und Archivare? (311)
- Gerhard Fouquet: Was erwartet die Stadtgeschichtsforschung von den Archiven? (327)
- Rainer Hudemann: Forschung und Archive. Überlegungen zur wissenschaftlichen Kooperation (347)
- Bettina Joergens: Zusammenfassung der Diskussion (359)
Arbeitskreis Archivpädagogik und historische Bildungsarbeit: Junge Forscher im Archiv. Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten als Herausforderung und Chance
- Erika Münster-Schröer: Einführung (363)
- Wolfgang Jacobmeyer: Schülererfahrungen bei der Spurensuche im Archiv (365)
- Franz-Josef Jakobi: Die Geschichtswettbewerbe und die städtische Erinnerungskultur. Das Beispiel Münster (377)
- Günter Heidt, Simone Arends, Holger Brittnacher, Sandra Prinz: Lange Wege – kurzer Draht. Grenz-Archiverfahrungen von Schülerinnen und Schülern eines Gymnasiums im äußersten Westen von Rheinland-Pfalz (387)
- Erika Münster-Schröer: Zusammenfassung der Diskussion (399)
Forum Diplomarchivarinnen und Diplomarchivare (FH)
- Gabriele Scholz: Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste. Ein Erfahrungsbericht über drei Jahre Ausbildung im Kreisarchiv des Erftkreises (401)
- Udo Herkert: Auch für Archivare. Der Aufstieg vom gehobenen in den höheren Dienst des Landes Baden-Württemberg (413)
Anhang
- Referentinnen und Referenten (421)
- Programm 73. Deutscher Archivtag 2002 in Trier (423)
Info:
Der Archivar. Mitteilungsblatt für deutsches Archivwesen
Herausgegeben vom Nordrhein-Westfälischen Hauptstaatsarchiv
Beiband 8: Archive und Forschung
Referate des 73. Deutschen Archivtags 2002 in Trier
Herausgegeben vom VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V.
Redaktion: Robert Kretzschmar
Verlag Franz Schmitt Siegburg 2003
ISBN 3-87710-243-3
Haarlocke einer Mumie im Heyl-Archiv entdeckt
Den kuriosesten Fund, den Margit Rinke-Olbrisch gemacht hat, als sie das Archiv der Familie von Heyl vom Nonnenhof durchforstete, war die Haarlocke einer ägyptischen Mumie. Sie sei rund 3000 Jahre alt, steht handschriftlich auf dem Tütchen vermerkt, in dem sie aufbewahrt wird. Dieses Detail bringt in Erinnerung, dass die Heyls über lange Zeit nicht nur die größten Arbeitgeber der Stadt Worms, sondern auch Mäzene und Sammler waren, denen Worms große Schätze verdankt.
In Findbuch festgehalten
Welche Briefe sie mit Architekten und Künstlern – beispielsweise Schmoll von Eisenwerth – wechselten und welche Dankesschreiben sie erhielten, als sie durch Professor Heinrich Boos die Wormser Urkunden sichten und ordnen ließen, all dies und noch viel mehr enthalten die Dokumente, die Dr. Ludwig von Heyl dem Stadtarchiv vor rund einem Jahr zur Nutzung überlassen hat und die jetzt dank eines Findbuchs zugänglich sind.
Wie Dr. Ludwig von Heyl bei der Vorstellung dieses Registers erzählte, hatte sein Onkel Leonhard von Heyl, Vorbesitzer des Nonnenhofs, die Familiendokumente gesammelt von Tagebüchern und Fotos über Briefe und Urkunden bis hin zum Rohmaterial für einen Film, aus dem ein Firmen- und Stadtporträt hätte entstehen sollen. Weil er selbst die Aufarbeitung nicht leisten könne, so Ludwig von Heyl, habe er die Sammlung dem Stadtarchiv überlassen.
Margit Rinke-Olbrisch sichtete daraufhin das gesamte Material, erschloss jedes Papier durch eine kurze Inhaltsangabe und ordnete es sowohl nach Personen wie nach Themengruppen.
Wer zukünftig Unterlagen über die Familie von Heyl sucht, wird unter den jeweiligen Stichwörtern jetzt schnell fündig, ob er sich nun über die wirtschaftliche Entwicklung der Lederindustrie informieren oder ob er anhand von Gästelisten und Bauplänen Einblick in die beeindruckende Selbstinszenierung der Familie gewinnen will, die, aus dem Bürgerstand kommend, mit viel Aufwand und Glanz versuchte, sich in Adelskreisen zu etablieren. Hinter den Kulissen eines harmonischen Erscheinungsbildes sei es allerdings immer wieder zu erbitterten Streitigkeiten gekommen, urteilt Stadtarchivar Dr. Gerold Bönnen.
Die Materialien seien „absolut spektakulär“, betonte er. Einige Unterlagen habe man schon verloren geglaubt. Nach der Registrierung könne man sie nun wissenschaftlich aufarbeiten. Alle Daten des Findbuchs lassen sich auch über Computer abrufen.
Geschichte geschrieben
Wie wichtig diese Dokumente sind, machte noch einmal Kulturdezernent Gunter Heiland klar. Die von Heyls hätten fast 200 Jahre lang Wormser Geschichte geschrieben und weit über die Stadt hinaus gewirkt – bis in den Berliner Reichstag hinein. Wer die Familiengeschichte erforscht, wird also zweifellos auch ein bedeutendes Stück Stadt- und Reichsgeschichte sichtbar machen können.
Kontakt:
Stadtarchiv Worms
Hintere Judengasse 6
67547 Worms
Telefon: 0 62 41/8 53-47 00
Telefax: 0 62 41/8 53-47 10
stadtarchiv@worms.de
www.worms.de
Quelle: Wormser Zeitung, 8.9.2003
Veröffentlichung von Scientology-Dokumenten bleibt legal
Die niederländische Journalistin Karin Spaink hat im jahrlangen juristischen Kampf gegen die Scientology-Sekte erneut einen Sieg errungen. Ein Berufungsgericht hat nach Angaben von Spaink am vergangenen Mittwoch ein Urteil bestätigt, nachdem Spaink das so genannte Fishman Affidavit auf ihrer Website veröffentlichen darf.
Steven Fishman, ein ehemaliges Scientology-Mitglied, stand 1993 wegen verschiedener Delikte in den USA vor Gericht. Im Rahmen seiner Verteidigung versuchte Fishman darzulegen, dass Scientology ihn einer Art Gehirnwäsche unterzogen habe. Um dies zu beweisen, legte er dem Gericht interne Schulungsmaterialien vor, die seitdem von diversen Anti-Scientology-Aktivisten zitiert und veröffentlicht wurden.
Scientology versucht die Veröffentlichung dieser und anderer interner Dokumente im Internet mit Hilfe juristischer Mittel zu unterbinden. So musste beispielsweise die News-Site Slashdot den Text im März 2001 entfernen. Außerdem hindert Scientology das Internet-Archiv archive.org daran, die Anti-Scientology-Site Operation Clambake zu archivieren. Auch die Suchmaschine Google bekam schon mit den Scientology-Anwälten zu tun.
Quelle: heise.de, 8.9.2003.