Die deutschen Archivare befürchten eine Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen infolge immer knapperer öffentlicher Mittel. In einigen Bundesländern wie Thüringen und Baden-Württemberg werde bereits über neue Strukturen der Archivlandschaft diskutiert, sagte der Vorsitzende des Verbandes deutscher Archivarinnen und Archivare (VdA), Volker Wahl, am Dienstag in Chemnitz. Die Verwaltungen wollten beispielsweise durch Zusammenlegung von dezentralen staatlichen Archiven Kosten sparen. Im bayerischen Schongau sei auch die Schließung eines Kommunalarchivs beabsichtigt gewesen.
Der von Dienstag bis Freitag in Chemnitz stattfindende 74. Deutsche Archivtag als der bedeutendste Kongress dieser Art in Europa wende sich ganz entschieden gegen solche Tendenzen. «Wir führen kein Nischendasein zwischen alten Schriften», sagte Wahl. Die Aufgaben als Hüter historischer Überlieferung und zur wissenschaftlichen Aufarbeitung sowie als Dienstleister seien gesetzlich fixiert. Dies verlange qualifiziertes Personal, das nicht endlos reduziert werden könne. Archive seien nicht mit Bibliotheken, Museen und anderen Kultureinrichtungen gleichzusetzen, deren Betrieb eine freiwillige kommunale Aufgabe sei, unterstrich der VdA-Vorsitzende.
Die Chemnitzer Stadtarchivarin Gabriele Viertel betonte, gerade die Kommunalarchive in den neuen Bundesländern leisteten wichtige Hilfe bei der Klärung von Alltagsfragen der Bürger. So bearbeite ihre Einrichtung pro Woche bis zu 20 Anfragen zum früheren Schulbesuch, der in den Rentenantragsunterlagen nachgewiesen werden müsse. Auch Duplikate von DDR-Facharbeiterzeugnissen, Nachweise der Beschäftigung von Zwangsarbeitern im Zweiten Weltkrieg und Immobilienunterlagen im Zusammenhang mit der Regelung offener Vermögensfragen würden oft nachgefragt.
Am Deutschen Archivtag unter dem Thema «Archive im gesellschaftlichen Reformprozess» nehmen rund 800 Fachvertreter aus dem In- und Ausland teil. Die Tagung wird begleitet von der Fachmesse Archivistica, auf der Technik und Techniken zu Erhalt, Lagerung und Erfassung von Archivgut vorgestellt werden.
Quelle: Freie Presse online, 30.9.2003