Vom 30. September bis zum 3. Oktober findet in Chemnitz der 74. Deutsche Archivtag statt, an dem mehrere hundert Archivarinnen und Archivare vorwiegend aus der Bundesrepublik, aber auch in großer Zahl aus dem europäischen Ausland teilnehmen werden. Der Deutsche Archivtag, der jährlich in Verbindung mit der Fachmesse ARCHIVISTICA abgehalten wird, ist der bedeutendste Archivkongress dieser Art in Europa. Veranstaltet wird er vom VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare, dem mit rund 2.200 Mitgliedern größten europäischen Berufsverband der Archivare.
Das Thema des diesjährigen Archivtags ist von ganz besonders aktueller Brisanz: Es geht um die Rolle der Archive im gesellschaftlichen Reformprozess. Wie das Programm zeigt, sind die archivischen Einrichtungen als Hüter historischer Überlieferung alles andere als weltabgewandte Stätten verträumten Sammelns und Ordnens. Die Archivarinnen und Archivare sehen sich aufgerufen, mit gestaltend auf die Herausforderungen unserer sich verändernden Welt zu reagieren. Die Verzeichnisse zu den in ihnen verwahrten Urkunden, Akten, Karten und Plänen, die bis ins tiefe Mittelalter zurückreichen, sind heute schon zu einem großen Teil im Internet zugänglich; oft finden sich hier sogar die herausragenden Dokumente selbst. Mit den Möglichkeiten einer Verbesserung der archivspezifischen Online-Angebote wird sich der Kongress ausführlich befassen. Dazu passt thematisch die intensive Beschäftigung mit einem neuen Verständnis von Kundenorientierung, die für die von vielen Sparten der Wissenschaft, aber auch von vielen Bürgern zu privaten Zwecken genutzten Einrichtungen kein Fremdwort ist, sondern selbstverständliche Grundlage ihrer Arbeit.
Hochaktuell werden vor allem die Sitzungen sein, die sich mit den organisatorischen Veränderungen der Archive im Kontext der aktuellen Verwaltungsreform befassen. In mehreren Bundesländern vollziehen sich derzeit gravierende Strukturreformen, die in Fachkreisen kontrovers diskutiert werden. So wurden In Sachsen-Anhalt und in Nordrhein-Westfalen die bisher selbständigen Archiveinrichtungen als Abteilungen zu einem Landesarchiv zusammengefasst, während in Thüringen dezentrale Strukturen verstärkt wurden. In Baden-Württemberg und in Sachsen stehen ebenfalls Neustrukturierungen an. Auch im kommunalen Bereich hat es vielfach Veränderungen gegeben, hier sind insbesondere Verbünde von Archiven geschaffen worden und weiter in der Planung.
Dass die Archivarinnen und Archivare sich nicht nur mit der Vergangenheit, sondern auch kritisch mit der unmittelbaren Gegenwart auseinander setzen, zeigt das Thema des Eröffnungsvortrags, den der Bonner Politologe Meinhardt Miegel hält: Verdrängte Wirklichkeiten – die Lebenswelt der Deutschen. Kaum ein anderer Berufsstand muss sich so umfassend und intensiv mit den Problemen der Gegenwart befassen wie die Archivare: Gehört es doch zu Ihren Hauptaufgaben, heute die Dokumente auszuwählen, die späteren Generationen die Erforschung unserer Zeit ermöglichen.
Das Programm des Archivtags ist im Internet abrufbar: www.archivtag.de
Quelle: ots Originaltext: Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. (VdA), 23.9.2003