Am 27. Oktober kommt erstmals die Syker Geschichts- und Schreibwerkstatt zusammen, die in verschiedenen „Zeitfenstern“ Syke in den Jahren 1929 bis 1949 untersuchen will. Montagabend fand hierzu im Stadtarchiv ein vorbereitendes Treffen statt. Gelegenheit, mögliche Themenfelder abzustecken. Gelegenheit aber auch, um Grundsätzliches zu klären: Wie zum Beispiel soll mit den Namen ehemaliger NS-Größen umgegangen werden, deren Familien heute noch in Syke leben?
FDP-Ratsfrau Edda Frerker, eine von einem guten Dutzend Bürgern/innen, die bislang an der Geschichtswerkstatt teilnehmen wollen, meldete Bedenken an: „Ist eine Namensnennung wirklich notwendig?“
Für Sykes Stadtarchivar, den Historiker Hermann Greve, der das Zeitfenster-Projekt leitet, kein wirkliches Problem: Um die Namensnennung bekannter Nazi-Größen, die Personen des öffentlichen Lebens in Syke waren, führe kein Weg vorbei. „Die sind ohnehin bekannt, die können wir ruhig nennen.“
Andererseits gehe es nicht an, Namen auf einzelne Aussagen oder bloße Beschuldigungen hin zu nennen. „Letztlich kommt es auf unsere Sensibilität an, wie wir mit Namen umgehen.“
Grundsätzlich gehe es bei dem Projekt aber nicht um einzelne Menschen, betonte Greve. „Es geht primär um Ereignisse, um Verhandlungsabläufe.“ Fast 60 Jahre nach Ende des Nazi-Regimes Anklageschriften verfassen zu wollen, sei absurd. „Es geht um die Kunst des Verstehens und des Erkennens“, formuliert Greve die generelle Zielvorgabe der Geschichts- und Schreibwerkstatt.
Die historische Recherche soll in einer Veröffentlichung münden, in der die einzelnen Ergebnisse zu dem jeweiligen Zeitfenster präsentiert werden. Angedacht sind drei solcher Fenster: Von 1929, dem Jahr, in dem die Syker NSDAP-Ortsgruppe gegründet wurde, bis 1933, dann von 1933 bis 1945, schließlich vom Kriegsende 1945 bis zur Gründung von Bundesrepublik und DDR 1949. Für das erste Zeitfenster setzt Greve etwa zweieinhalb Jahre Arbeit an.
Wie diese Arbeit konkret aussieht, bleibt den Teilnehmern selbst überlassen. „Das ist eine reine Neigungsveranstaltung“, betont Greve. Ob persönliche Erlebnisse zu Papier gebracht, Interviews geführt, Zeitungen oder Archive ausgewertet werden – alles ist möglich, alles ist erlaubt. „Und es muss auch nicht jeder am Ende ein eigenes Kapitel schreiben“, stellt Greve klar. Roter Faden der gemeinsamen Arbeit ist allein, durch ein jeweils fest umrissenen Zeitfenster auf Sykes Geschichte zu blicken.
Für das nötige Handwerkszeug im Umgang mit historischen Quellen aller Art wird Hermann Greve je nach Bedarf in den ersten Treffen des Projektes sorgen. Auf Wunsch der Teilnehmer hat er auch eine Liste möglicher Themen für die Zeit von 1929 bis 1933 erstellt, von der Krise in Landwirtschaft und Kleingewerbe in der Weimarer Republik und der Arbeitslosigkeit auf dem Lande, über den Behördenstandort Syke bis hin zu Großkundgebungen der NSDAP und Wahlen in Syke.
Wobei Greve eines besonders am Herzen liegt: „Wir schreiben keine wissenschaftliche Arbeit für die Schublade. Das soll ein spannend zu lesender Band werden.“
Kontakt:
Stadtarchiv Syke
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D-28857 Syke
Postfach 1365
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Quelle: Syker Kurier (WK), 11.9.2003