Manche älteren Villinger erinnern sich noch an Gustav Walzer (1899-1966), der in der Zähringerstadt aufgewachsen ist und sich einen Namen als Heimatforscher gemacht hat. Seine Witwe vermachte jetzt der Stadt das archivarische Vermächtnis des Verstorbenen. „Dieser Nachlass ist unersetzbar und einmalig für die Villinger Personengeschichte vor 1800“, urteilte Stadtarchivar Heinrich Maulhardt.
Am 9.9. übereignete Gustav Walzers Witwe Clara (95) und die Tochter Brigitte im Stadtarchiv Villingen das Material mit ihrer Unterschrift an die Stadt. Bei der Schenkung handelt es sich um den heimat- und familiengeschichtlichen Nachlass Gustav Walzers: insgesamt 7,5 Meter Dokumente und neun laufende Meter Bibliotheksgut. Heinrich Maulhardt und seine Mitarbeiterin Ute Schulze nutzten den Anlass, um die stadtgeschichtlichen Schätze der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Den Großteil seines Berufslebens hat Gustav Walzer an der Handelsschule in Neustadt im Schwarzwald verbracht. Dort war er während des Zweiten Weltkrieges und erneut ab 1951 Lehrer an der Handelsschule. Seine Freizeit aber hatte der Oberstudienrat der Wissenschaft verschrieben. Ob Pfarrhäuser, Friedhöfe oder Amtsstuben, ständig war der leidenschaftliche Heimatforscher auf der Suche und bei der Auswertung alter Geschichtsurkunden und -quellen. „Er war mehr im Archiv als zu Hause“, erinnert sich seine Tochter Brigitte nicht ohne Bedauern. Was der Familie abging, kam der Geschichtsforschung zu Gute. Ganz besonders der Villinger Stadtgeschichte. In den 50-er Jahren begann Walzer auf der Basis eines Werksvertrags damit, die einzigartigen Villinger Bürgerbücher herauszugeben. Außerdem hat er auf nicht weniger als 15000 Karteikarten die Personen des Villinger Stadtarchivs nachgewiesen. Für die Personen- und Ahnenforschung in Villingen, so verdeutlichte gestern der Stadtarchivar, ist diese Fleißarbeit von unschätzbarem Wert.
Walzer muss ein fast besessener Forscher und Sammler gewesen sein. Wie seine Tochter gestern berichtete, stand ihr Vater in den Sommerferien jeden Morgen um 5 Uhr auf und fuhr mit dem ersten Zug ins fürstenbergische Archiv nach Donaueschingen. Oder eben nach Villingen. Seine heimatgeschichtlichen Studien fanden indes 1966 ein jähes Ende. Er erlag, kaum pensioniert, einer Lungenembolie. Beerdigt wurde er dort, wo er sich eigentlich zu Hause fühlte: in Villingen.
Nach dem Tod versicherte der Villinger Oberbürgermeister Severin Kern der Witwe, dass die Stadt das unvollendete Werk Gustav Walzers, die Edition der Bürgerbücher, zu Ende führen und seinen Namen in Ehren halten werde. Auch dieser Brief ist Bestandteil des Nachlasses. Die Stadt hat sich übrigens an Kerns Versprechen gehalten, auch wenn bis zur Einlösung rund 35 Jahre ins Land gehen sollten. Vor zwei Jahren hat das Stadtarchiv die Bürgerbücher, die von Walzer bereits zur Hälfte aufgearbeitet waren, gemeinsam mit dem Historiker Andreas Nutz in Druckform herausgegeben. In den Bürgerbüchern sind sämtliche Personen verzeichnet, die vom Mittelalter bis zum Jahre 1800 in die Villinger Bürgerschaft neu aufgenommen wurden.
Eigentlich, so erzählte gestern seine Tochter Brigitte, sollte Gustav Walzer nach dem Wunsch der Eltern Pfarrer werden und genoss somit eine höhere Schulbildung. Doch zum Priester fühlte er sich nicht berufen. Er studierte Germanistik, Volkswirtschaft und Geschichte und Altphilologie und war in den Fremdsprachen Französisch, Englisch, Latein, Griechisch und Hebräisch zu Hause.
„Doktor Käfer“
Als Mann umfassender humanistischer Bildung war er vielseitig interessiert und gestaltete auch seine Wanderführungen beim Schwarzwaldverein Neustadt zu heimatgeschichtlichen Exkursionen aus. Nebenbei sammelte er alles mögliche, von Briefmarken bis Insekten. Für seine umfassende Käfersammlung war er bei seinen Nichten und Neffen als „Doktor Käfer“ bekannt, wie seine Tochter gestern zum Besten gab. Diese Sammlung, so berichtete sie, hätten ihm leider die Franzosen während der Besatzungszeit abgenommen.
Einige seiner historischen Sammlungsstücke, etwa Lebensmittelkarten aus dem Ersten Weltkrieg, finden jetzt Eingang in das Stadtarchiv. Heinrich Maulhardt zählt Walzer neben Josef Honold und dem Arzt Nepomuk Hässler zu den drei maßgeblichen Villinger Heimatforschern der 50-er und 60-er Jahre. „Das Stadtarchiv kann sich glücklich schätzen, diesen Nachlass zu haben“, unterstrich er gestern.
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Quelle: Südkurier, 10.9.2003