Mord an Stralsunder Bürgermeister war Racheakt

Stralsund. Wir schreiben den 1. November 1409. Nebelschwaden ziehen über den Kirchhof von Bergen. Im schwachen Licht erkennt man eine Gestalt in Kaufmannskleidern. Es ist der Stralsunder Bürgermeister Wulf Wulflam, der etwas zu suchen scheint. Eine zweite Gestalt nähert sich leise von hinten mit einem Stock in den Händen. Wulflam dreht sich ruckartig um, doch es ist zu spät. Einige schwere Schläge führen das Ende des Bürgermeisters herbei. – Diese Version von Wulf Wulflams Tod ist natürlich rein fiktiver Natur. Nur die Tat selbst konnte bis heute wissenschaftlich bewiesen werden. Doch was war nun der Grund für den Mord und wer die zweite Person auf dem Kirchhof?

Wulf Wulflam stand seinem Vater, dem berühmten Stralsunder Bürgermeister Bertram Wulflam, in nichts nach. Ab 1397 zum Bürgermeister gewählt, war Wulf nicht nur der erste Mann in Stralsund, sondern neben dem Lübecker Bürgermeister Heinrich Westhoff auch einer der fähigsten Köpfe der Hanse. Bei einer Vielzahl der wichtigsten Verhandlungen dieser Zeit vertrat er die Interessen Stralsunds und wohl auch seine eigenen. Wie sein Vater, war auch er besonders für die große Politik befähigt, verkehrte mit Königen, Königinnen und Fürsten aller Art und verstand sich mit dem pommerschen Herzogshaus aufs Beste. Bereits 1391 ernannte man ihn zum herzoglichen Rat.

Zu seinen Besitztümern auf Rügen gehörten das Dorf Grabow auf Zudar, das Dorf Bessin bei Altefähr und der Hof Luppath bei Poseritz. Auf dem Hof Luppath oblag ihm nicht nur die niedere Gerichtsbarkeit, er konnte ab 1403 auch über Leben und Tod seiner Untertanen entscheiden. Doch diese Macht und Herrlichkeit sollte bald ein Ende finden.

Unter den guten Freunden, die Wulf vielfach unter dem Adel der Umgegend hatte, befand sich auch der einflussreiche rügensche adlige Starke Suhm. Doch aus Freundschaft wurde bald bittere Feindschaft, die im Tod endete. Am Tag vor Fastnacht, dem 2. März 1405, wurde Starke Suhm, als er mit seinem Sohn Thorkel von Stralsund nach Rügen über die alte Fähre übersetzen wollte, von Mitfahrenden überfallen und ermordet. Sein Sohn verdankte seine Rettung nur dem Fährmann, der durch einen falschen Eid beteuerte, dass dies nicht der Sohn des Starke Suhm sei. Schnell waren sich die Getreuen des adligen Suhm einig, dass Wulf Wulflam den Mord in Auftrag gegeben hatte. Welche Gründe für die Eskalierung der Gewalt zwischen den Familien maßgebend waren, liegt noch im Dunkeln. Als man den Leichnam vor das Bürgermeisterhaus legte, soll dieser aus dem Saal gerufen haben: „Schafft mir das Beest fort!“

Am 1. November 1409 bot sich auf dem Kirchhof zu Bergen endlich die Gelegenheit für Thorkel Suhm, seinen Vater zu rächen und einen der mächtigsten Bürgermeister Stralsunds und wichtigsten Männer der Hanse zu töten. Als die Kunde von Wulfs Tod nach Stralsund drang, setzte sofort die wehrhafte Bürgerschaft nach Rügen über, um ihren Bürgermeister zu rächen. Der Täter war natürlich schon entflohen, und so begnügten sich die Stralsunder damit, seinen Hof in Kaiseritz zu plündern und zu verwüsten. Eine lange Fehde zwischen dem Geschlecht der Suhms und Stralsund begann. Erst am 21. Juni 1414 griff Herzog Wartislaw VIII. ein. In einer im Stadtarchiv Stralsund aufbewahrten Urkunde legte er fest, dass die Suhms 1800 Mark Sundisch als Entschädigung bekommen, dafür aber die Hand Wulf Wulflams, das Symbol des Verbrechens, feierlich mit 200 Rittern und Knappen sowie 200 Frauen und Jungfrauen in der St. Nikolaikirche zu Grabe tragen sollten.

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Quelle: Ostseezeitung, 10.9.2003

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