Gäbe es sie nicht, dann wäre es um die eigene Geschichte ziemlich schlecht bestellt: Martinskirche und Burg Bucherbach liefern bis ins Spätmittelalter fast die einzigen Informationen über die Verhältnisse in Köllerbach. „Die Geschichte des Ortes ist maßgeblich mit Burg und Kirche verbunden“, so Michael Müller, Archivar der Stadt Püttlingen.
Im elften Jahrhundert setzt die getrennte territoriale Entwicklung von Püttlingen und Köllerbach ein, die bis zur Neuzeit anhält. Während Püttlingen als Lehen des Erzbischofs von Metz an das Haus Kriechingen fällt, kommen die Dörfer der Herrschaft Köllerbach in den Besitz der Grafen von Saarbrücken. Erstmals erwähnt wird die Martinskirche in einer Stiftungsurkunde aus dem Jahr 1223. Damals übertrug Graf Simon III von Saarbrücken das Patronatsrecht an der Martinskirche dem Prämonstratenserkloster Wadgassen. Die Mönche hatten von nun an die Pfarrer von Kölln zu stellen. Es gibt aber deutliche Hinweise dafür, dass an dem Ort schon vorher ein Gotteshaus existiert haben muss. So werden etwa die zwischen 1929 und 1962 ausgegrabenen Vorgängerbauten der Martinskirche in die Karolingerzeit (etwa achtes Jahrhundert) datiert. Einen weiteren Anhaltspunkt liefert der Name Martinskirche. „Er ist uraltes Sprachgut“, erzählt Müller. Jede Zeit kennt einen besonders beliebten Heiligen, dessen Kult sie pflegt und zu ihrem Kirchenpatron kürt. Die Franken haben ihre Kirchen bevorzugt nach dem heiligen Martin (um 316 bis 397), Bischof von Tour, benannt.
Hans-Walter Herrmann, ehemaliger Leiter des saarländischen Landesarchivs, hat seinerzeit im Saarland 17 Kirchen gezählt, die nach diesem Heiligen benannt waren. Auch deshalb vermuten Experten den Ursprung des Gotteshauses in der Karolingerzeit. Schriftliche Zeugnisse aus dieser Zeit gibt es keine – und damit liegt Köllerbach voll im Trend.
Abgaben, Kriege, Hungersnöte
Denn im Frankenreich des siebten und achten Jahrhunderts war das zuvor blühende, kulturelle Leben verfallen – die literarischen Quellen versiegten, die sprachliche Produktion war gering, die Sprache verwilderte. Unter Karl dem Großen (Regierungszeit: 768 bis 814) ging es zwar wieder aufwärts, ein Problem blieb aber. Denn fast alles, was der Historiker über Köllerbach weiß, weiß er aus Urkunden. „Sie dokumentieren aber immer nur ein Rechtsgeschäft“, erläutert Müller. Sie erzählen hingegen nichts über Vorgeschichte, Umstände und Ereignisse. Die Überlieferung in Akten setzt erst im Laufe des 15. Jahrhunderts ein. Auch die Burg Bucherbach ist vermutlich älter als schriftlich überliefert. Erstmals erwähnt wird die Burg in einem Erbvertrag von 1326. Hier heißt es, dass Graf Johann II von Saarbrücken-Commercy alle Besitzungen seines Vater erhalten solle, mitsamt dem „maison dou val de cologne“, dem „Haus im Köllertal“. Hiermit ist unzweifelhaft die Burg Bucherbach gemeint. Für die Grafen von Saarbrücken diente sie militärischen Zwecken, erfüllte aber gleichzeitig wichtige Verwaltungsaufgaben. Hier hatten die Bauern ihre Abgaben zu entrichten, hier wurden auch die großen Versammlungen, die so genannten Jahrgedinge, abgehalten.
Im 14. Jahrhundert amtierten hier Ritter wie Johann von Heinzenberg und Johann von Forbach als Burgmänner. Sie standen in einem Lehnsverhältnis zu ihrem Dienstherrn, dem Grafen von Saarbrücken, entstammten meist dem niederen Adel und bezogen als Gegenleistung für den Schutz der Burg einen Teil der Steuereinkünfte des Grafen. Nachdem im 15. Jahrhundert gar einige „Burggrafen“ genannt werden, sind es in der Folge Amtsmänner wie „Hans“ (1447 bis 1463), die auf der Burg stellvertretend für den Grafen die Abgaben eintrieben. Ihre von 1447 bis 1497/1572 erhaltenen Rechnungen sind eine unverzichtbare Quelle für die Geschichte des Köllertals. Nicht nur an Abgaben, sondern auch an Schicksalsschlägen hatten die Bauern schwer zu tragen. Missernten, Hungersnöte, Kriege und sonstige Katastrophen (zum Beispiel die Pest), waren bis zum Ausgang des Mittelalters nicht gerade selten.
Burg: Verhältnisse sind bescheiden
In einer der ersten überlieferten Kampfhandlungen verwüstete der Herzog von Zweibrücken, Ludwig der Schwarze, während einer Fehde mit Graf Johann III 1341 die Dörfer des Köllertals. In einem alten Kalender steht unter dem Datum des 13. Mai 1471: „Rannt Hertzog Ludwig in das Collerdail vnnd verbrannt das gar“. Auch die Burg soll dabei beschädigt worden sein. Hier waren die Verhältnisse ohnehin bescheiden, wie ein Dokument von 1542 verrät: die „Besatzung“ zählte neben dem Amtsmann noch einen Wagenknecht, den Pförtner und zwei Mägde. Anhand des Speicherverzeichnisses der Burg schätzt Karl Ludwig Rug, dereinst evangelischer Pfarrer zu Kölln und Heimatforscher, die Einwohnerzahl Köllerbachs für das 15. Jahrhundert auf bescheidene 280 bis 300 Personen.
Quelle: Saarbrücker Zeitung, 2.9.2003