Manfred Waßner, der neue Kreisarchivar, tritt am heutigen 1. September sein Amt im Esslinger Landratsamt an. Ende Februar 2003 wurde der jetzt 33-Jährige als Nachfolger des 2002 verstorbenen Dr. Christoph J. Drüppel vom Verwaltungs- und Finanzausschuss unter vier in die engere Wahl genommenen Kandidaten gewählt (insgesamt gab es 35 Bewerbungen).
In einem Team mit acht Kräften will der aus Münsingen kommende Waßner vor allem für „die Sicherung der Überlieferung und die Transparenz in den Verwaltungsvorgängen“ eintreten. Der neue Kreisarchivar warnt grundsätzlich vor geschichtsloser Zeit, mahnt an, sich für Archivbelange auch im weitesten Sinn einzusetzen. Infolge der Verwaltungsreform komme absehbar eine „Mammutaufgabe“ auf die Kreisarchive zu.
Manfred Waßner hofft entsprechend darauf, dass die neuen Herausforderungen übergreifend auf allen Verantwortungsebenen gesehen und berücksichtigt werden. Konkret: Während anderswo mit Personaleinsparungen gerechnet werde, müsse man bei den Kreisarchiven wohl umgekehrte Schlussfolgerungen ziehen. An Personalaufstockungen oder Personalumschichtungen wäre zu denken, könnte Resümee sein.
Denn ganz sicher wirkt es sich aus, dass sehr wahrscheinlich mehrere bisher selbstständige Ämter in die Landratsämter eingegliedert werden (etwa Schulamt und viele mehr; Forstämter, Landwirtschaftsämter etwa sind betroffen, landesweit würden mehrere hundert Neuerungen stattfinden). Was bisher staatlich archivarisch betreut wurde, müsste zukünftig größtenteils wohl in Kreisarchiven mit gesichert werden. Mittels Arbeitskreisen werde man die Umstellungen vermutlich angehen, aber was künftig dann zu geschehen hat, das müsse personalmäßig endgültig noch abgeklärt werden.
Waßner, der von Münsingen nach Bissingen/Teck umziehen will, ist ledig und hofft darauf, Anfang nächsten Jahres seinen Doktortitel an der Universität Tübingen zu bekommen. Momentan schreibe er noch an seiner Dissertation zum Thema „Niederer Adel im späten Mittelalter“, aufgezeigt am Beispiel der Familie Speth. Diese habe auf der Alb oder in Neckartenzlingen gewohnt, in Neckartailfingen (die Familie Kaib zähle mit dazu) oder in Lenningen (auf der Sulzburg, die heute noch als Ruine erhalten ist). Viele Bereiche waren einst im Besitz dieser Adelsfamilie, die auch im Schurwald anzutreffen war.
Der neue Kreisarchivar hat einst Geschichte, Deutsch und Chemie studiert, war seit Mai 2000 im höheren Archivdienst. Die Ausbildung führte ihn über Marburg und Stuttgart. In den letzten 15 Monaten koordinierte er in der Landesarchivdirektion die Arbeiten im Rahmen des Landesrestaurierungsprogramms. Manfred Waßner kennt entsprechend viele Problembereiche im Zusammenhang mit notwendiger „Massenentsäuerung“. Dabei geht es insbesondere um Papier, das seit 1850 schlechter geworden sei und das nun für Archivzwecke aufbereitet oder vom Dokument her gesichert werden müsse.
Die Bestandserhaltung ist für den neuen Kreisarchivar das Wichtigste. Er will auch mit den Gemeinden gut zusammenarbeiten und werde mehrere Gemeindearchive mitbetreuen.
Hinsichtlich der neuen Techniken mahnt Waßner an, darauf zu achten, dass man die Datenformate, Materialien und notwendigen Maschinen oder Apparaturen erhält. Originale solle man sichern und möglichst auch verfilmen. Es sei nötig, dafür zu sorgen, dass Dokumente als authentisch erkennbar sind. Bei Verwaltungsvorgängen müsse aus archivarischer Sicht ein Missbrauch ausgeschlossen werden. Verwaltungshandeln müsse nachvollziehbar bleiben. Akteneinsicht zu gewährleisten, das sei relativ einfach handhabbar, aber Übersicht über digitale Daten zu bekommen, das sei schwieriger abzusichern.
Die Transparenz müsse gewährleistet bleiben, dafür will sich Waßner stark machen. Der 33-Jährige baut auf die bisherige Arbeit von Dr. Drüppel auf, und er lobt seinen Vorgänger im Amt: „Was Dr. Drüppel geleistet hat, das ist bemerkenswert.“
Zu seinen großen Aufgaben zählt Waßner auch das Burgenprojekt (Burgstellen werden im Kreis vermessen und katalogisiert). Außerdem oder insbesondere will er sich der Kreisbeschreibung widmen (2006 wolle man damit beginnen, derzeit laufe die Planung).
Da er im Kreis Esslingen auf „vorbildliche Zustände“ im archivarischen Bereich stoße, sei es ihm auch möglich, die Kontakte zu den Kommunen zu vertiefen.
„Das Gedächtnis der Verwaltung“, wie die Archive oft genannt werden, soll sinngemäß möglichst ganz gut bleiben. Darauf will der neue Kreisarchivar den größten Teil der Arbeitskraft ausrichten. Waßner hält „Kulturarbeit“, wie sie in einigen anderen Kreisen praktiziert wird, ebenfalls für wichtig und für eine „gleichzeitige Aufgabe“ im Kreis Esslingen, aber mit Blick auf Sicherung der Überlieferung für eine „nachgeordnete“ Herausforderung. Speziell die Bewältigung der Aufgaben im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform im Land hätten jetzt eindeutig Vorrang.
Dass man in finanziell schwierigen Zeiten weniger an Personalaufstockungen als mehr an Personalreduzierungen denke, das sei verständlich. Aber: Die Wichtigkeit der nun jungen Herausforderungen gebiete es, sich damit zu beschäftigen. Die Kreisarchive würden viele neue Aufgaben zu bewältigen haben und dem müsse personalmäßig auch entsprochen werden. Wie immer man die künftigen Probleme löst: Waßner will seinen Arbeitgeber nicht gleich verschrecken, sondern bietet seine ganze Kraft zur Lösung aller Fragen an. Er werde die Kooperation zu allen Stellen suchen und möglichst noch ausbauen, und auf ihn könne man bauen. Ab heute ist er im Amt, in einem der Chefbüros im grünen Bau in Esslingen, der Stellung als Assessor oder Archivrat entsprechend in hoher Etage.
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Quelle: Nürtinger Zeitung, 1.9.2003