Kassetten haben zwei entscheidende Nachteile: Sie nehmen viel Platz bei der Lagerung weg und man muss sie hin- und herspulen, wenn man eine bestimmte Aufnahme sucht. Die ProSieben-Sat.1-Gruppe, zu der auch Kabel 1 und N24 gehören, dokumentiert ihre Sendungen künftig nicht mehr auf VHS-Videokassetten, sondern digital im MPEG-4-Format auf Festplatte. Aus rechtlichen Gründen müssen Fernsehstationen ihr Programm mindestens 90 Tage lang vorhalten, etwa um Aussagen vor Gericht belegen zu können. Die digitale Speicherung verkürzt die Zugriffszeiten im Vergleich zu VHS erheblich und ermöglicht außerdem, Clips per E-Mail oder FTP-Transfer zur Verfügung zu stellen.
Mit dem nun eingeführten digitalen Mitschnitt arbeitet die Senderfamilie nun nach Angaben der SZM Studios, einer hundertprozentigen Tochter der ProSiebenSat.1 AG, nahezu komplett „tapeless“. Nur bei der langfristigen Archivierung in sendefähiger Qualität kommen vorerst weiterhin Kassetten zum Einsatz — für solche Zwecke werden in der TV-Branche zur Zeit meistens Betacam SP oder DigiBeta eingesetzt. Schon seit mehreren Jahren verbannen die SZM-Techniker Schritt für Schritt die klobigen Magnetbänder aus den Studios. Werbespots und komplette Spielfilme werden stattdessen auf großen Servern gespeichert und von dort „on air“ geschickt. Die dabei genutzten Videoformate sind zur Archivierung allerdings derzeit noch nicht geeignet, denn sie arbeiten mit Datenraten von 25 oder 50 MBit/s. Pro Sender und Tag müssten dafür 250 bis 500 Gigabyte Speicherplatz zur Verfügung stehen.
Quelle: heise.de, 25.8.2003
Nachlass von Giacomo Meyerbeer nach Berlin
Komponisten, Maler, Astronome, Kaufmänner, Dramatiker. Die Berliner Familie Beer, Meyerbeer und Richter, die im geistigen und wirtschaftlichen Leben Berlins und seiner jüdischen Bürgerschaft seit dem 17. Jahrhundert eine ganz entscheidende Rolle spielte, zählte fünf Generationen lang zu den einflussreichsten und wohlhabendsten Familien der Stadt. Durch den bedeutenden Nachlass dieser Familie ist Berlins Stadtmuseum um eine Schenkung reicher geworden.
Die beiden Stifter Elisabeth Beare und Dr. Reinhold Richter, die dem Stadtmuseum Berlin in Gestalt der Hans-und-Luise-Richter-Stiftung große Teile des Nachlasses vermachen, gehören zur Familie. Die Stiftung trägt den Namen des Enkels von Giacomo Meyerbeer, Hans Richter (1876-1955) und seiner Frau Luise (1891-1978): Sie retteten die wichtigsten Teile des künstlerisch und kulturhistorisch bedeutsamen Familienerbes über die Zeit des Nationalsozialismus. Angesichts der herausgehobenen Bedeutung dieser Schenkung, die einen Wert von knapp einer Million Euro hat, wurde zur Bewahrung, Pflege und weiteren wissenschaftlichen Erschließung eine Körperschaft in der Rechtsform einer unselbständigen Stiftung innerhalb der Stiftung Stadtmuseum Berlin geschaffen. Für die Stifter gehören die Bestände „einfach nach Berlin“.
Die Familie lebte seit 1671 in Berlin. Ihr Aufstieg begann mit dem Kaufmann Liebmann Meyer Wulff. Liebmann (1745-1812) brachte es zum Hofjuden der Kurfürsten Friedrich Wilhelm und Friedrich III. und galt um 1800 als der reichste Jude Preußens. Mit ihm setzte jene Familiengeschichte ein, die fast zwei Jahrhunderte lang das wirtschaftliche, kulturelle und soziale Leben Berlin maßgeblich prägen sollte. Giacomo Meyerbeer, im 19. Jahrhunderts ein sehr bekannter Opernkomponist („Les Huguenots“, „Le Prophète“, „L´Africaine“), Generalmusikdirektor an der Königlichen Oper Berlin und wohl berühmtester Sproß der Familie, war ein Enkel Liebmanns. Seine Mutter Amalie (1767-1854) galt als Schönheit. Sie unterhielt einen der ersten Salons Berlins; in ihren Räumen ging das gelehrte Berlin ein und aus. Wilhelm, auch er ein Sohn von Amalie, verdiente seinen Unterhalt als Zuckersieder, bekannt jedoch wurde er als Astronom. Sein Bruder Michael kam als der erste jüdische Dramatiker zu Anerkennung.
Zur Familie gehörte auch das Ehepaar Gustav (1823-1884) und Cornelie Richter (1842-1922), geborene Meyerbeer und Enkelin von Amalie. Er: Maler, sie: Gastgeberin für Künstler und Intellektuelle. Die Wohnsitze der Familie, zunächst das Haus in der Spandauer Straße, dann seit 1803 die Beersche Villa im Tiergarten sowie das Meyerbeersche Palais neben dem Brandenburger Tor, wurden dank der vorzüglichen Beziehungen, die die Familie zum Hof und zum preußischen Adel unterhielt, ein Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Neben vielen Künstlern und Gelehrten zählte auch Alexander von Humboldt zu den Gästen.
Hunderte von Gegenständen, Briefen, Bildern, Fotoalben, Möbeln, Plastiken und Dokumenten geben einen Einblick in das Leben des jüdisch-deutschen Großbürgertums Berlins über zweieinhalb Jahrhunderte. Musik- und operngeschichtlich aufschlußreiche Objekte von besonderem Wert, wie das Pleyel-Reiseklavier Giacomo Meyerbeers von 1849, sind Teil der Schenkung. Genauso Bilder, Familienportraits, Büsten, Skulpturen, Schnapsbecher, und das goldene Armband, das Kaiserin Friedrich 1901 Cornelie Richter vermachte. Ein Teil des Nachlasses von Giacomo Meyerbeer wurde schon vor dem Zweiten Weltkrieg der Staatsbibliothek Berlin vermacht und gelangte als Folge des 2. Weltkrieges teilweise nach Krakau in die Biblioteka Jagiellonska.
In diesem Jahr noch sollen die Stiftungs-Bestände aufgearbeitet werden und im März 2004 im Märkischen Museum, dem Stammhaus der Stiftung Stadtmuseum Berlin, im Rahmen einer Sonderausstellung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Danach sollen die aussagekräftigsten Stücke als ein wesentlicher Teil in die Dauerausstellung einfließen.
Quelle: Damals, 25.8.2003
Ralph Giordano für Erhalt der Hamburger Geschichtswerkstätten
Der Schriftsteller Ralph Giordano («Die Bertinis», 1982) hat sich für den Erhalt der Hamburger Geschichtswerkstätten ausgesprochen.
Für die durch Subventionskürzungen in ihrer Existenz bedrohten Einrichtungen gebe es keinen Ersatz, schreibt der 80-jährige gebürtige Hamburger in seinem vorab verbreiteten Statement für eine Öffentliche Anhörung zu dem Thema am 25. August. Der Autor appellierte an die Politiker, die gefassten Beschlüsse zu überprüfen.
Der Hamburger Senat hat bekanntlich beschlossen, den 14 Geschichtswerkstätten und Stadtteilarchiven die Förderung in Höhe von 539.000 Euro zu entziehen. Nach vielfältigen Protestaktionen sagte Kultursenatorin Dana Horáková (parteilos) weiterhin Miet- und Betriebskosten in Höhe von insgesamt 133.000 Euro für die überwiegend mit Ehrenamtlichen arbeitenden Institutionen zu. Inhaltliche Arbeit sei so nicht mehr möglich, kritisieren die Geschichtswerkstätten. Sie fürchten um die Bestände mit Objekten und Dokumenten von Zeitzeugen. Im Zeichen «elektronischer und globaler Einebnungstendenzen» könne die «Bewahrung des lokalen (…), des „An-Ort-und-Stelle“-Wichtigen und -Eingeborenen» gar nicht hoch genug veranschlagt werden, mahnte Giordano.
Quelle: Lausitzer Rundschau online, 25.8.2003
Architekt der Marienburg bekannt
Von wem und wann genau die Marienburg, eines der markantesten Gebäude Monheims, entworfen und gebaut wurde – die Antwort auf diese Frage lag bisher im Dunkeln. „Zunächst bin ich einem Hinweis des Heimatbundes nachgegangen“, berichtet Stadtarchivarin Annekatrin Schaller. „Die Vermutung, das bekannte Monheimer Gebäude sei dem berühmten Kölner Dombaumeister Vincenz Statz zuzuschreiben, bestätigte sich aber nicht“, so die Historikerin. Vielmehr fand sie bei Nachforschungen beim Rheinischen Amt für Denkmalpflege heraus, dass die Marienburg einem anderen bekannten Kölner Architekten zu verdanken ist: August Carl Lange.
Dieser lebte von 1834 bis 1884. Er projektierte zahlreiche sakrale und einige profane Bauten in der Umgebung von Köln. Mehr als 50 Mal zeichnete Lange für Bau, Erweiterung oder Restaurierung von Kirchengebäuden verantwortlich. Unter seiner Leitung wurden etwa die Pfarrkirchen St. Stephanus in Hitdorf und St. Stephanus in Köln-Lindenthal erbaut. Wesentlich beeinflusst war Lange vom neogotischen Stil, dessen Ideen er in seinen Bauwerken umsetzte.
Wandschränke, Klosetts und Wasserleitungen
Die Marienburg errichtete Lange 1879/80 für den Landtags- und Reichstagsabgeordneten Eugen von Kesseler, den damaligen Besitzer des Großen Hofes, unmittelbar neben der alten Hofanlage. Das Gebäude war als Landhaus geplant, es sollte der Familie Kesseler zum Sommeraufenthalt dienen. Den Namen „Marienburg“ trug der rote Backsteinbau schon bei der Erbauung.
Es war der Wunsch des Bauherrn, an den gleichnamigen Hauptsitz des Deutschen Ritterordens in Westpreußen zu erinnern. Der war im 14. Jahrhundert Wirkungsort des Hochmeisters Winrich von Kniprode. Es wird als sicher angenommen, dass Winrich von einer Ansiedlung stammte, die im heutigen Knipprather Wald lag.
Zwar erfolgte der Innenausbau der Marienburg nach Aussage des Architekten „in einfachster Weise“, der Einbau von Wandschränken in allen Zimmern, Wasserleitung und Wasser-Klosetts spricht aber dafür, dass man es an Annehmlichkeiten nicht fehlen lassen wollte. Dazu gehörte auch der Aussichtsplatz über der Mitte des Hauses, der eine schöne Fernsicht über den Rhein bis nach Köln und ins Bergische Land hinein bietet. Die Baukosten für den adeligen Landsitz lagen bei 75 000 Mark. Die für Lange typischen gotischen Stilelemente sind auch an der Marienburg zu erkennen.
Annekatrin Schaller äußert sich zufrieden: „Ich freue mich sehr, dass wir eine Wissenslücke in der Geschichte unserer Stadt geschlossen haben und endlich Genaueres über die Erbauung der Marienburg sagen können.“ Im Stadtarchiv ist der Bericht von August Carl Lange über den Bau der Marienburg aus dem Jahr 1881 für alle Interessierten nachlesbar.
Kontakt:
Stadtarchiv Monheim am Rhein
Alte Schulstraße 32
D-40789 Monheim am Rhein
Telefon: 02173-951-473
Telefax: 02173-951-479
E-mail: aschaller@monheim.de
Quelle: NRZ, 25.8.2003
Der Bodensee als Flughafen
Ludwigshafen am Bodensee besaß früher einen Flughafen für Wasserflugzeuge, von wo aus ab 1928 in Dornier-Flugbooten Rundflüge über den Bodensee unternommen wurden. Gemeindearchivar Waldemar Mellert war sehr erstaunt, als er im Rathaus auf diesbezügliche Unterlagen stieß. Vom Unternehmensarchiv der Dornier GmbH Friedrichshafen erhielt Gemeindearchivar Waldemar Mellert auf Anfrage dieser Tage eine entsprechende Bestätigung und auch ein Foto von der „Delphin III“, die von Konstanz, Friedrichshafen, Lindau und letztlich auch von Ludwigshafen aus zu Rundflügen startete.
Mit Gesuch vom 2. April 1927 hatte der damalige Bürgermeister Karl Ott im Auftrag des Gemeinderates das Bezirksamt in Stockach von der Absicht in Kenntnis gesetzt, „am Ufer des Hafenplatzes in Ludwigshafen einen Landungssteg für Wasserflugzeuge zu erstellen“ und um Genehmigung des Vorhabens gebeten. Dem Gesuch waren auch die Baupläne beigefügt, die von Ingenieur Willy Truckenbrodt in Konstanz-Petershausen gefertigt wurden. Die Genehmigungsphase nahm aber eine geraume Zeit in Anspruch, denn erst am 26. Juli 1928 erhielt die Gemeinde den „Verleihungs-Bescheid“ nach dem ihr das Recht eingeräumt wurde, „nach Maßgabe der vorgelegten Pläne am Hafenplatz in Ludwigshafen, Grundstück-Lagebuch Nr. 321 einen Landungssteg für Wasserflugzeuge zu errichten.“
Der Flugbetrieb muss später eingestellt worden sein, denn die Luftverkehrsgesellschaft Konstanz GmbH richtetete am 19. Mai 1933 ein Schreiben an das Bürgermeisteramt Ludwigshafen mit folgenden Inhalt: „Wir erlauben uns, Ihnen mitzuteilen, dass bei der letzten Generalversammlung unserer Gesellschaft, bei der auch Herr Innenminister Pflaumer anwesend war, beschlossen wurde, den Wasserflugbetrieb im Interesse des Fremdenverkehrs nach Möglichkeit weiter auszubauen. Unsere Gesellschaft erhält zu diesem Zweck ein vollständig neues Wasserflugzeug Typ Dornier, das mindestens acht Passagiere aufnehmen kann. Zur Unterstützung unserer Bestrebungen möchten wir die dringende Bitte an Sie richten, den am dortigen Platz errichteten Landungssteg – sofern erforderlich – für den Sommerbetrieb wieder instand setzen zu lassen, da wir beabsichtigen, auch von dort aus Rundflüge zu veranstalten.“
Die Bodensee-Rundflüge mit dem Dornier-Delphin, der in drei Versionen gebaut wurde und die vorwiegend im Auftrag des Bodensee Aero-Loyd betrieben wurden, waren über viele Jahre eine Attraktion im Passagierflug der 20-er Jahre. Insgesamt wurden mit Delphin III, die bis 1936 im Einsatz war, 14.500 Flugstunden durchgeführt. – An den Flughafen Ludwigshafen erinnert heute nichts mehr.
Quelle: Südkurier, 25.8.2003
Neues Findbuch Hagen 1
Nach einer mehr als einem Jahr dauernden Erfassungsarbeit kann das Stadtarchiv Hagen jetzt den Besuchern ein neues, wesentlich erweitertes Findbuch und Recherchemöglichkeiten präsentieren.
Der darin verzeichnete Aktenbestand „Hagen 1“ umfasst Archivalien aus der Zeit um 1670 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945. Insgesamt handelt es sich um weit über 10.000 Akten, die auf mehr als 1490 Seiten beschrieben werden. Das Findbuch über die Akten des nicht weniger umfangreichen Bestands „Hagen 2“, der die Akten nach 1945 beinhaltet, ist zur Zeit in Arbeit und soll noch in 2003 erscheinen.
Im Archivbestand ist nahezu die gesamte Stadtgeschichte von ihren Anfängen bis zum Untergang Hagens im Bombenkrieg nachvollziehbar. Zu finden sind Etatfragen aus der Zeit um 1750, Dokumente zur napoleonischen Herrschaft in der Region, Quellen der Revolution 1848/49 und Archivalien zum Ausbau der Stadt sowie zur Industrialisierung. Aber auch die ersten Eingemeindungen im 19. Jahrhundert, die „Ruhrbesetzung“ durch französische Truppen im Jahr 1923 sowie die nationalsozialistische Diktatur und die verheerenden Auswirkungen des Bombenkriegs haben ihren Niederschlag in diesem Bestand „Hagen 1“ gefunden.
Hinter den Archivsignaturen und vergilbten Papieren stehen annähernd 300 Jahre Geschichte der Stadt Hagen und der Region. Vielfach ergab sich durch die erstmalig nach wissenschaftlichen Kriterien vorgenommene Erschließung des Bestands sowie auf Grund von neuen Aktenfunden völlig unbekannte Aspekte der Stadtgeschicht. Davon wird nicht nur der Archivbenutzer profitieren, sondern auch die zurzeit in Arbeit befindliche Dauerausstellung des Stadtmuseums.
Der sehr umfangreiche Bestand, von dem Teile bereits vor einem Jahr online recherchierbar sind, wird in Kürze auch auf dem Internet-Angebot des Stadtarchivs Hagen vollständig einsehbar und online recherchierbar sein: unter www.historisches-centrum.de/archiv/.
Kontakt:
Historisches Centrum
Stadtmuseum / Stadtarchiv
Eilper Strasse 71 – 75
D-58091 Hagen
Quelle: Westfälische Rundschau, 25.8.2003
Situation im Stadtarchiv Eisenberg
Durch das jahrzehntelange Chaos im Stadtarchiv Eisenberg ging vieles unter, so auch die Ehrenbürgerschaft von zwei ehemaligen Nazi-Größen. Im Zusammenhang mit dem Widerruf der Ehrenbürgerschaft der Stadt Eisenberg für die ehemaligen Nazis Sauckel und Marschner wurde mehrfach die Frage gestellt: Wieso hat man nicht früher gemerkt, dass diese Männer noch Ehrenbürger sind?
Kurz gefasst lautet die Antwort: Weil im Stadtarchiv über lange Zeiträume Chaos herrschte, vieles verloren oder verschütt´ gegangen ist. Ausführlich beantworten die heutigen Mitarbeiter die Frage im folgenden Text.
Das Stadtarchiv Eisenberg wurde im Jahre 1855 vom städtischen Hilfsschreiber Theodor May angelegt und erschlossen. Nach Abschluss seiner Arbeit wurde nicht weiter an dem Archiv gearbeitet, so dass sich viele Akten ansammelten und lose herumlagen. Untergebracht war das Archiv damals unterm Dach des Rathauses.
Der Dachstuhlbrand im Rathaus in der Silvesternacht 1905/1906 brachte eine noch größere Unordnung in die Akten und über 200 Aktenbände verbrannten vollständig, ein weiterer großer Teil ist seitdem stark angekohlt. Aus Platzmangel wurde das Archiv im Schloss untergebracht. Ab Anfang März 1906 begann Dr. Ernst Devrient aus Jena, es neu zu ordnen. Die alten Findbücher wurden in ihrem Originalzustand belassen und ein Schlagwortverzeichnis angelegt. Dieses ist leider heute nicht mehr vorhanden. Bis 1909 übernahm Professor Fischer die weitere Betreuung des Archivs.
Zwischen 1910 und 1912 betreute Herr Matthes, ein Stadtangestellter, das Archiv. Dann war es bis 1922 unbesetzt. 1922 wurde es wiederum von Dr. Devrient geordnet und ergänzt. Leider wurde das Archiv dann wieder sich selbst überlassen – bis 1945. Kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges wurden sehr viele Akten von den damaligen Machthabem vernichtet und auch auf Anweisung der sowjetischen Militäradministration später Archivalien aus den Beständen entfernt.
Nach 1945 wurde das Archiv jeweils vom Standesbeamten mitverwaltet. 1952 kam es aus dem Schloss wieder ins Rathaus und wie schon vor 100 Jahren unters Dach. Aber nach kurzer Zeit wurde es wieder ausgeräumt und ohne jede Ordnung gestapelt und aus fachlicher Sicht völlig unzureichend in zwei weiteren Behelfsunterkünften untergebracht.
1957 erhielt das Archiv neue Räume in einem Seitengebäude des FDGB-Hauses, doch bei der Rekonstruktion 1975 kam es zu erheblichen Schäden am Archivgut und massiven Verschimmelung der Akten. Also alles zurück auf den Rathausboden.
1978 suchten Rat der Stadt und Rat des Kreises gemeinsam nach einer Lösung, z. B. im VEB Vereinigte Elektrobetriebe ,Am Pforrsbrunnen´, doch kein Plan führte zu einem Ergebnis.
Ende der 70-er Jahre kam das Archiv in die Karl-Liebknecht-Straße 9. Auch eine Notlösung, die Luftfeuchtigkeit war zu hoch, die Räume nicht beheizbar. Selbst in der ehemaligen „Ammerschen Fabrik“ in der Mühlenstraße verbesserten sich die Bedingungen für Archivgut und Mitarbeiter kaum.
Es gab weder Telefon, Toilette noch Waschbecken, im Winter herrschten Temperaturen um die null Grad.
Erstmals in der langjährigen, von vielen Widrigkeiten geprägten Geschichte erhielt das Archiv 1995 geeignete Magazinräume als „Gedächtnis der Stadt“: Im Verwaltungsgebäude II der Stadtverwaltung Eisenberg am Markt 13/14.
Nach der Archivgut wurde spätern auch die Büroräume der Mitarbeiter verlegt, ein separater Benutzerraum eingerichtet und der historische Buchbestand in Extraräumen im Hintergebäude Markt 13/14 untergebracht.
Seither stiegen auch die Benutzerzahlen deutlich an: Von 60 Anfragen (1993) über 856 (1998) auf 1045 (2002). Seit 1993 wurden auch erstmals historisch besonders wertvolle Archivalien restauriert. Der Bestandserhaltung dient auch die kontinuierliche Mikroverfilmung von Zeitungen und Akten.
Kontakt:
Stadtarchiv Eisenberg (Thüringen)
Markt 27
07607 Eisenberg (Thüringen)
Tel.: (036691) 73461
Fax: (036691) 73460 oder 45318
Email: Ebg.Stadt.Archiv@t-online.de
Quelle: OTZ, 23.8.2003
Gemeindewappen stieß im Hauptstaatsarchiv auf Ablehnung
Wäre es nach dem Wunsch der Gemeindeverwaltung Krailling und dem damaligen Bürgermeister Johann Baptist Huber gegangen, würde das Kraillinger Gemeindewappen heute anders aussehen. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg stellte die Verwaltung einen Antrag, das Wappen des ehemaligen Hofmarksherren Graf von Berchem als Gemeindewappen zu bekommen.
Bereits seit 1949 wurde über ein neues Gemeindewappen verhandelt, das vorhergehende aus der Zeit des Nationalsozialismus wollte man nicht behalten. „Die Wappen waren ja zur Nazi-Zeit mit einem Hakenkreuz versehen“, berichtet Ludwig Ziegler, Verwalter des Kraillinger Gemeindearchivs. Die Grafen von Berchem bewohnten im 18. Jahrhundert das Schloss auf dem heutigen Linner-Areal. Auf dem Familien-Wappen, das im Zimmer von Geschäftsleiter Adolf Lorenz als Holzschnitt an der Wand hängt, schlängelt sich ein Flüsschen, gesäumt von einem Schloss sowie einem Baum. „Eigentlich sieht es ja bis auf das Schloss sehr ähnlich aus“, sagt Lorenz.
In einem Schreiben vom 31. Januar 1951 formulierte der zuständige Archivar des Hauptstaatsarchivs erleichtert: „Die ursprüngliche Absicht, das Wappen der Grafen von Berchem als Vorlage dafür zu benützen, wurde auf den Rat des Hauptstaatsarchivs hin erfreulicherweise fallen gelassen.“ Die Tatsache der nur kurzen Wohndauer des Geschlechts in Krailling rechtfertige geschichtlich „die Übernahme des Familienwappens für das gemeindliche Wahrzeichen nicht“, so der Verfasser weiter.
Für das neue Wappen schlug das Hauptstaatsarchiv folgende Lösung vor: „In Blau ein silberner Schrägfuß, beseitet von je einer silbernen Tanne.“ Mit der Farbgebung solle auf die Landeszugehörigkeit angespielt werden. Der Münchner Kunstmaler Emil Werz hatte die Vorlagen und Entwürfe für das Wappen geliefert.
Am 14. März 1951 konnte der Staatsminister des Inneren, Wilhelm Hoegner, an die Regierung von Oberbayern endlich die Zusage zur Verleihung eines Gemeindewappens für Krailling schreiben: „Der Gemeinde wird auf ihren Antrag das Recht zur Führung eines Wappens verliehen.“ Nach gut zwei Jahren Verhandlungszeit bekam Krailling sein Wappen – ohne dem abgebildeten Schloss. Aber das steht ja in Wirklichkeit auch nicht mehr.
Kontakt:
Gemeinde Krailling
Rudolf-von-Hirsch-Straße 1
82152 Krailling
Tel.: 089/85706-0
Fax: 089/85706-44
E-mail:rathaus@krailling.de
http://www.krailling.de/
Quelle: Münchner Merkur, 23.8.2003
Digitales Europäisches Kathedralen-Archiv DECA
Wertvolle Baupläne und Fotos des Kölner Doms, des Wiener Stephansdoms und der Prager Burg sind zum Schutz der Originale als Computerdateien gespeichert worden. Die Digitalisierung dient auch dazu, Archiv-Bestände zugänglich zu machen.
„Historische Pläne werden nicht besser, wenn man sie herauszieht. Trotzdem brauchen wir sie immer wieder“, sagte die Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner am Freitag bei der Vorstellung des Projekts. Auch die Universität Leiden ist beteiligt. Die Europäische Union förderte die aufwendige Arbeit am Digitalen Europäischen Kathedralen-Archiv DECA.
Die Computerexperten boten alles auf, um die Originale zu schonen. Ein Scanner in Doppelbett-Größe wurde in der Kölner Dombauhütte aufgebaut. Der Lichtbalken fuhr über die Dokumente, damit nur die Abschnitte dem Licht ausgesetzt waren, die gerade erfasst wurden, und das nur möglichst kurz. Für die wissenschaftliche Arbeit schraubten die Datenerfasser die Auflösung so hoch, dass schon die Datei eines einzigen Plans mehr Speicherplatz braucht als eine CD-ROM bietet.
Entsprechend gut ist die Wiedergabe. Auf dem Computerausdruck eines Domturmplans sind selbst Fingerabdrücke von Leuten zu sehen, die das Original früher einmal in der Hand hatten. Vergrößerungen lassen Bezeichnungen erkennen, die die Zeichner der Pläne in früheren Jahrhunderten mit Lupe und spitzem Stift eingetragen haben müssen.
Es wurden zwar rund 50 000 Pläne, Grafiken und Fotos erfasst, sie sind aber nur ein Bruchteil der jeweiligen Archive. In Köln seien vor allem Zeichnungen und historische Fotos von Domteilen digitalisiert worden, deren Erneuerung ansteht, sagte Schock-Werner, außerdem Belege für die Zerstörungen rund um den Dom im Zweiten Weltkrieg.
Auch in Wien kamen Bilder vom Wiederaufbau unter den Scanner, sowie Fotos, die Einblicke in die Bausubstanz gewähren. Die Universität Leiden steuerte Dias der Weltarchitektur bei, vor allem aus Zentraleuropa. Und das Archiv der Prager Burg war froh, einen Teil seines Bestands digital sichern lassen zu können.
Die Daten wurden in verschiedenen Auflösungen erfasst – in höchster Qualität für Wissenschaftler und Baumeister, weniger dicht zur Speicherung auf CD, und als kleine Dateien für das Internet, wo sie von September an unter „www.deca-forum.net“ stehen.
Wenn ein Bauingenieur künftig einen Blick auf einen Originalplan werfen muss, kann das Dokument im Archiv bleiben – das verlängert seine Lebensdauer. Dasselbe gilt für Fotos, die beispielsweise ein Verlag für einen Bildband einsehen und abdrucken will. Dass die Digitalisierung ihre beiden Zwecke – Originale schonen und zugleich besser zugänglich machen – erfüllt, daran gibt es also keine Zweifel.
Fachleute warnen aber vor dem Irrglauben, dass die Informationen damit für alle Zeiten gerettet wären. Ob heutige Computerdateien jemals so alt werden wie die Originalpläne und Fotos, ist fraglich. Datenträger verfallen, Software und Hardware ändern sich, die Dateien müssen also immer wieder neu gesichert und auf aktuelle Medien kopiert werden. „Wir empfehlen, das Original als erste und wichtigste Sicherung gut zu behandeln“, sagte Ed Gartner von der Firma CD-LAB, die für das Scannen der Dokumente verantwortlich war.
Internet: DECA – verfügbar von September 2003 an: http://www.deca-forum.net
Quelle: FR-online, 22.8.2003
Archivierung von Websites und Webtransaktionen
Die elektronische Archivierung hat sich inzwischen als probates Mittel etabliert, große Mengen von Informationen langfristig und sicher aufzubewahren und zu verwalten. Die Archivierungstechnologie hat sich in mehreren Schüben vom Scannen von Papierdokumenten über die Speicherung von Office-Dokumenten, die Übernahme von Out-put-Dateien bis hin zur Speicherung komplexer Objekte entwickelt. Vom Ansatz her ist es für ein elektronisches Archivsystem unerheblich, welche Arten und Formen von Objekten es speichert. In dem Maße wie die elektronische Flut steigt und zunehmend zum Information Overflow führt, gewinnen elektronische Archivsysteme immer mehr an Bedeutung. Dokumente entstehen in immer größerem Maße nur noch elektronisch und sind nicht mehr für eine physische Repräsentation auf Papier ausgelegt.
Das Internet verändert den Dokument-Begriff
Besonders das Internet trägt derzeit zum exponentiellen Wachstum von Information bei. Neben den traditionellen DV-Systemen hat sich mit Websites, CMS Content-Management-Systemen und Portalen eine eigene Welt entwickelt. In dieser neuen Welt des WCM Web Content Management gelten viele Regeln der Vergangenheit offenbar nicht mehr. Neuartige Formen von Dokumenten, die dynamisch zur Laufzeit in unterschiedlichsten Präsentationsformen für verschiedenste Formen der Nutzung generiert werden, lassen den Begriff eines statischen Dokumentes immer mehr verschwimmen. War ein gescannter Beleg immer noch ein authentisches, bildhaftes, in sich geschlossenes Abbild eines physischen Originals, so wird durch neue Technologien wie XML der Zusammenhang zwischen Inhalt, beschreibenden Daten sowie Struktur, Layout und Format bewusst aufgelöst. Nur so können Inhalte für unterschiedliche Nutzungszwecke verwendet, personalisiert und für verschiedenste Systemlandschaften bereitgestellt werden. Bei einem solchen Dokument ist nur noch sehr schwer festzustellen, welche Repräsentationsform eigentlich das Original ist. Ein Dokument kann heute alles sein – ein elektronisches Fax, ein Worddokument, eine Transaktionsprotokolldatei, eine elektronisch signierte E-Mail, ein dreidimensionales digitales Modell, eine Web-TV-Aufzeichnung, eine Host-Druckdatei, ein JPEG- Photo. eine verlinkte HTML-Seite, usw. Durch die rasante Weiterentwicklung gerade im Webumfeld wurden die Probleme für die elektronische Archivierung, besonders durch dynamisch verknüpfte komplexe Objekte, immer größer.
Das Web – ein schnelllebiges Medium
Die Erwartungshaltung an Webangebote ist einfach zu beschreiben – Websites müssen interessant, immer aktuell und einfach zu bedienen sein. Dabei nimmt man auch in Kauf, das Inhalte einer Webseite überschrieben und verloren gehen. Schon heute sind eine Vielzahl der Links in Suchmaschinen tot. Sie produzieren den bekannten „404 Datei nicht gefunden Fehler“ oder führen auf einen ganz anderen Inhalt. Das Internet verändert sich ständig. Zahlreiche frühe Websites sind heute nicht mehr vorhanden und auch nicht rekonstruierbar. Private Initiativen versuchen schnappschussartig Teile des Webs zu konservieren, scheitern jedoch an der Menge der Websites und der Menge der Information. Hinzu kommt die anschwellende Menge von Plagiaten, Kopien, gestohlenen Inhalten und redundant, nur mit leichten Änderungen vorgehaltener Information im Rahmen der Content Syndication. Eine Suchanfrage über eine Suchmaschine produziert immer mehr Einträge ohne dass man eine Gewähr der Richtigkeit, Vollständigkeit, Originalität und Aktualität der Information hat. Die Betreiber von Websites nehmen hier ihre Verantwortung auch nicht sehr ernst und als Nutzer des Internetangebotes hat man sich an diese Zustände fast schon gewöhnt. Dabei gibt es nicht nur den Anspruch des Historikers an die Dokumentation von Webinhalten, sondern auch handfeste gesetzliche Regelungen, die die Betreiber von Webseiten verpflichten, die Inhalte ihrer Seiten zu nachvollziehbar zu dokumentieren.
Die kaufmännische Perspektive
Über Websites werden zunehmend elektronisch Geschäfte angebahnt oder abgewickelt:
- Jeder der auf seine Webseite für kommerzielle Zwecke Angebote, Preislisten oder andere handels- und steuerrechtlich relevante Informationen stellt, ist verpflichtet diese auch zu dokumentieren. Diese Information ist häufig nur noch elektronisch vorhanden und kann daher auch nur noch elektronisch archiviert werden.
- Besondere Anforderungen kommen hinzu, wenn über die Website oder das Portal direkt elektronisch Geschäfte abgewickelt werden. Der Geschäftsgang dokumentiert sich dann häufig nur noch in einem Datensatz, einer Bestätigungs-E-Mail einer elektronischen Abbuchung und einer elektronischen Auslieferung, sei es durch Übersendung einer Datei oder eines Passwortes. Auch bei der Bestellung eines physischen Objektes, eines Blumenstraußes, eines Buchs oder eines Autos, findet der gesamte Geschäftsprozess bis zur Auslieferung nur noch elektronisch statt.
- Die Behandlung von Vermittlungsgeschäften über elektronische Plattformen führt zu weitverzweigten, nur aufwendig nachvollziehbaren geschäftlichen Verflechtungen mit unterschiedlichen Rechtscharakter. In den USA gibt es bereits über 100.000 Händler, die EBAY als Plattform für ihre Geschäfte nutzen und deren Abwicklung bis zur Lieferung zu 100% elektronisch durchgeführt wird. Bei B2B-Plattformen wird der gesamte Angebots-, Auswahl-, Bestell- und Abrechnungsvorgang zwischen mehreren Beteiligten im Rahmen einer Supply-Chain nur noch digital abgewickelt. Nach dem ersten Einbruch des Dot.Com-Booms zeichnet sich hier die zweite Welle des E-Business ab.
- Digital Rights Management für die Übertragung und Berechung von Nutzungsrechten an elektronischen Inhalten stellt besondere Anforderungen an die Dokumente selbst als auch an den Nachweis, welche Information mit welchen Rechten an wen übertragen wurde.
- Durch den Einsatz elektronischer Signaturen erhalten digitale Geschäfte eine neue rechtliche Qualität, die durch die Signaturgesetzgebung und die damit verbundene Anpassung anderer Gesetze zur Gleichstellung elektronischer und papiergebundener Dokumente führt. Damit werden vollständig elektronisch durchführbare Geschäfte zwischen Geschäftspartnern, die sich nicht kennen, möglich.
Für die Dokumentation dieser Geschäfte reicht die Versionierung, Historisierung und Archivierung der Webseiten nicht aus. Sie muss um Transaktionsarchivierung, elektronische Posteingangs- und Postausgangsbücher, um das Abgreifen der Aktionen des Nutzers einer Webseite und besonders um die vollständige Integration mit den Daten aus den nachgelagerten internen Verarbeitungs- und Verwaltungshandlungen verknüpft werden. Hier beginnt meistens bereits das Problem: Websites haben häufig ein Eigenleben und sind nicht mit der betriebswirtschaftlichen Software eines Unternehmens oder einer Organisation verknüpft.
Die E-Government-Perspektive
Durch den MEDIAKOM-Wettbewerb und die BUNDONLINE2005-Initiative ist in das Thema Webpräsenz in der öffentlichen Verwaltung viel Bewegung gekommen. Kaum eine Kommune oder Behörde, die nicht inzwischen ihre eigene Webseite unterhält. Hierbei sind entsprechend dem Inhalt und der Form der Interaktion unterschiedliche Qualitäten zu unterscheiden:
- Bei amtlichen Veröffentlichungen, die eine gewisse Rechtsverbindlichkeit haben, ist in jedem Fall zu dokumentieren, welche Inhalte in welchem Zeitraum im Web veröffentlicht worden sind. Hierbei ist auch eine Kennzeichnung des rechtlichen Charakters der Veröffentlichung sicherzustellen. Dies ist besonders wichtig, bei Vorabveröffentlichung von Entwürfen, unterschiedlichen Versionen eines Dokumentes und anderen sich verändernden Inhalten. Bezieht sich ein Besucher der Webseite auf ein solches Dokument, muss der Behörde der Nachweis möglich sein, welche Version mit welcher Rechtsqualität im Web angeboten worden ist.
- Bei Amtshandlungen, wie z.B. der Beantragung eines KFZ-Kennzeichens, einer Umzugsmeldung oder einem Passantrag muss die gesamte Transaktion einschließlich der Authentifizierung des Nutzers gewährleistet sein. Werden über das Web eingegebene Informationen in nachgelagerten Systemen weitergeleitet und verarbeitet, ist der Nachweis des kompletten Prozesses notwendig um die Ordnungsmäßigkeit und Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns sicherzustellen. Hierzu sind auch elektronische Posteingangsbücher zu realisieren und bei personalisierten Websites mit individualisierter Gestaltung auch die Situation, in der der Bürger diese Dienste genutzt hat, aufzuzeichnen.
- Werden Rechtsgeschäfte mit kaufmännischem Charakter wie z.B. Abrechnung von Dienstleistungen, Ausschreibungen mit elektronischer Abgabe von Angeboten und Zuschlagserteilung oder vergleichbare Transaktionen durchgeführt, müssen diese analog zu den Anforderungen an die freie Wirtschaft elektronisch revisionssicher dokumentiert werden. Hierbei spielen elektronische Signaturen zunehmend eine wichtige Rolle. Da der Gültigkeitszeitraum von personengebundenen qualifizierten Signaturen deutlich unter den Aufbewahrungsfristen für kaufmännisch oder rechtlich bindende Dokumente liegt, stellen sich hier besondere Anforderungen an die elektronische Archivierung.
- Wird ein Portal einer öffentlichen Verwaltung auch als Träger- und Vermittlungsplattform für Dienstleistungen Dritter benutzt, seien es nun städtische Betriebe oder Geschäftsleute auf einer kommunalen B2B-Plattform, sind hier natürlich besondere Dokumentationspflichten in beide Richtungen notwendig- zum nutzenden Bürger oder Unternehmen als auch zum anbietenden Dienstleister. Die öffentliche Verwaltung tritt hier als Kommunikationsdienstleister mit einer ganzen Reihe von Verpflichtungen auf.
In allen diesen Szenarien spielen besondere Verpflichtungen der öffentlichen Verwaltung nach dem BDSG, dem TDSG, dem Signaturgesetz und vielen anderen Verordnungen und Gesetzen eine Rolle. Bei vielen politisch motivierten Projekten wurde häufig nicht über die rechtlichen und technischen Konsequenzen eines Webauftrittes nachgedacht. Bei vielen Webseiten der öffentlichen Hand spielte dies auch häufig keine eine Rolle, da Transaktionen über das Web einfach ausgedruckt und in der Gittermappe auf dem Aktenwägelchen durch die Gänge geschoben, sprich herkömmlich weiterverarbeitet werden. Der Medienbruch zwischen den „aufgemotzten“ Webseiten und den internen Verwaltungsabläufen ist immer noch eines der größten Probleme.
Anforderungen an Archivsysteme für Webseiten
Zu aller erst muss festgehalten werden, dass man keine eigenständige Archivierung von Webinhalten und Webtransaktionen betreiben sollte – die elektronische Archivierung ist als Infrastruktur zu betrachten, die allen Anwendungen eines Unternehmens oder einer Behörde gleichermaßen zur Verfügung stehen muss. Ziel dieses Ansatzes ist, unabhängig von der erzeugenden Anwendung alle Informationen in ihrem Sach- und Nutzungszusammenhang zu verwalten. Elektronische Archive sind die universellen Wissensspeicher, die aktions- und prozessbezogen die benötigten Informationen aktuell, vollständig, authentisch und im Zusammenhang wieder bereitstellen müssen. Für die Archivierung im Webumfeld müssen folgende Funktionen vorhanden sein:
- Datenbankgestützte, kontrollierte Verwaltung und Zugriffsmöglichkeit auf die gespeicherten Informationen. Hierbei sind Metadaten für die sichere und vollständige Identifizierung der gespeicherten Objekten, gegebenenfalls aber auch Suchmöglichkeiten über die Inhalte der Objekte selbst vorzusehen.
- Standardschnittstellen zur Einbindung sowohl in Website-Editions-, Nutzungs- und Verwaltungsprozesse als auch in die internen Anwendungen, die ebenfalls diese Daten und Dokumente nutzen können sollen
- Verwaltung einheitlicher Metadaten zur Beschreibung von Webinhalten, die auch den Zugriff über das Archivsystem ermöglichen, und andere Records Management Funktionen
- Umfangreiche Protokollierungs-, Audit-Trail- und Journalfunktionen um Transaktionsarchivierung, Capturing von Webformularen und elektronische Posteingangsbücher realisieren zu können
- Konverter und Rendition-Management, um aus Webinhalten unabhängige Formate generieren zu können, bei denen auch dynamische Verbindungen „eingefroren“ und dokumentierbar gemacht werden können. Diese Tools sind auch erforderlich, um die Information in unterschiedlichen Umgebungen verfügbar zu machen.
- Versionierung, um Dokumente selbst als auch die Bezüge zwischen Dokumenten verwalten zu können
- Berechtigungssysteme und Berechtigungssystematiken, um unabhängig vom Erzeuger von Inhalten auf die Dokumente unabhängig, vollständig und langfristig zugreifen zu können
- Verwaltung von elektronischen Signaturen, Zertifikaten und den zugehörigen Objekten über den Lebenszyklus von qualifizierten, personengebundenen Signaturen hinaus
- Revisionssicherheit zum Nachweis der Unverändertheit, Vollständigkeit und Authentizität der gespeicherten Informationen mit einem umfangreichen internen Kontrollsystem zum Nachweis von Veränderungen am System
- Migrationswerkzeuge um die kontrollierte, verlustfreie und richtige Überführung von Inhalten auf neue Plattformen und in neue Systeme zu ermöglichen
Viele dieser Funktionen gehören zum Standardrepertoire eines professionellen Archivsystems, einige sind jedoch speziell für die Belange von Webseiten und Portalen sowie für Schnittstellen und Dokumentformate im Internet-Technologie-Umfeld anzupassen.
Die elektronische Archivierung ist das Gedächtnis der Informationsgesellschaft
Dieses Zitat von Erkki Likaanen, EU-Kommissar für die Informationsgesellschaft, zeigt noch eine andere Dimension des Aspektes Archivierung von Webinhalten und Webtransaktionen auf – neben rechtlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind für Webinhalte auch kulturelle und historische Faktoren zu berücksichtigen. Das Internet ist nicht nur eine weltweite Kommunikations- und E-Business-Plattform, es ist auch ein gigantischer Informations- und Wissensspeicher, dessen Inhalt es gilt für zukünftige Generationen aufzubewahren. In der Vergangenheit war es die Aufgabe von Archivaren, Registraren und Dokumentaren Information für die Nachwelt aufzubereiten, zu bewerten und zu konservieren. Der „staubige Archivjob“ ändert sich vom Berufsbild immer mehr zum Informationsmanager. Bei der Bewahrung elektronischer Information kommt der Archivierung von Webinhalten eine immer größere Bedeutung zu, da immer mehr Dokumente und Daten nur noch für den Zweck einer Webpräsentation entstehen. Bei der Planung von Webseiten und Portalen sollten denn auch Archivare Gehör finden, damit von Anfang an die Belange der elektronischen Archivierung berücksichtigt werden.
Quelle: contentmanager.de, 04/2003 und 08/2003