Ebbe für den Wiederaufbau nach der Flut?

Von den Zerstörungen, die das „Jahrhunderthochwasser“ in Dresden im letzten August angerichtet hat, sieht man äußerlich nichts mehr. Die Theater, Museen und Kirchen der Altstadt haben geöffnet, auch wenn im Inneren noch Schäden zu beheben sind.

Doch im Hinterland sieht die Realität trister aus. Häuser wurden aufgegeben, die Bahnstrecken nach Leipzig und Chemnitz sind noch immer nicht flott. Dem Ort Olbernhau auf dem Erzgebirgskamm an der tschechischen Grenze sind elf Millionen Euro Schaden entstanden. Die Gebirgsbäche hatten die Stadt überspült, Schulturnhalle, Krankenhaus, Bibliothek, Läden und das Stadtarchiv weggeschwemmt (Bericht).

Inzwischen sind die Läden neu eingerichtet, die Kinder müssen nach den Ferien nicht mehr in die Feuerwehr zur Schule gehen. Olbernhau kommt langsam in Ordnung. Aber landesweit haben die Kommunen Schäden gemeldet, die sich mittlerweile auf 1,9 Milliarden Euro belaufen – 800 Millionen mehr als zu Beginn des Jahres kalkuliert. Die Dresdner Staatskanzlei warnt, dass die Antragsflut vom Frühjahr die ursprünglichen Planungen um 1,6 Milliarden Euro übersteigt – erste Zeichen, dass der Bund-Länder-Aufbaufonds nicht reichen könnte. Sachsen stehen insgesamt 4,7 Milliarden Euro zu. Doch die Anträge für den Ausbau zerstörter Gewässer haben sich auf 1,4 Milliarden Euro verdoppelt, die Wohnungsschäden summieren sich derzeit auf fast 900 Millionen.

Zudem treten viele Spätfolgen der Flut erst jetzt auf, weil nach dem langen Winter die Feuchtigkeit aus den Ritzen kriecht. In Olbernhau hat sich die Schadensbilanz um 20 Prozent erhöht. Die fast 11.000 betroffenen Unternehmen in Sachsen haben die Flut indes einigermaßen überstanden. Profitieren kann die Baubranche. Wirtschaftsforscher prognostizieren dem Osten für dieses Jahr ein flutbedingtes Plus von einem Prozent.

Kontakt:
Stadtarchiv Olbernhau
Grünthaler Str. 28
09526 Olbernhau
Tel: 037360-15101
Fax: 037360-15109

Quelle: Die WELT, 1.7.2003.

Verzögerungen bei Verfahren um Kanzleramtsakten

Berlin. Das Ringen um die juristische Bewertung von Aktenschwund und Datenlöschung im Kanzleramt unter Helmut Kohl hält an. Dabei verdichten sich, wie Die WELT am 1. Juli nochmals betont, die Hinweise darauf, dass die Bonner Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren in dieser Sache endgültig einstellen wird. Die jüngste Stellungnahme des Bundeskanzleramts, das seit Jahren eine strafrechtliche Bewertung der Vorgänge verlangt, bietet offenbar keinerlei neue Ermittlungsansätze (siehe Bericht). Die Einstellung des Verfahrens kann sich jedoch aufgrund der Abordnung eines der beiden zuständigen Staatsanwälte noch hinziehen, ebenso die Begutachtung der 42-seitigen Stellungnahme der Regierung.

Die Bonner Ermittler hatten Ende März festgestellt, dass sie weder Anhaltspunkte für eine Straftat noch Erkenntnisse über mögliche Straftäter haben. Zwar stellten sie – wenn auch in weitaus geringerem Umfang als Schröders Kanzleramtschef Franz-Walter Steinmeier und Regierungsvorermittler Burkhard Hirsch – das Fehlen von Akten und auch Datenlöschungen fest. In fünf von sieben Komplexen, die angeblich von Aktenvernichtung oder Datenlöschung betroffen waren, signalisierte auch das Bundeskanzleramt im Juni, dass es einer Einstellung nichts mehr entgegensetze.

Dabei geht es inzwischen nicht mehr um Strafrecht, sondern um Politik. Ginge es nach der Bundesregierung, sollten zumindest die Vorwürfe „Datenlöschung“ und „Aktenvernichtung Leuna“ von den Staatsanwälten als Straftat festgestellt werden, was diese aber nicht tun. Probleme hat die Bundesregierung demnach nicht mit der Einstellung des Verfahrens an sich, sondern damit, dass die Staatsanwälte noch nicht einmal die behaupteten Straftaten erkennen können. Generalstaatsanwalt Linden sagt, es sei nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaften „zu dokumentieren, was unterhalb der Schwelle eines Anfangsverdachts geschehen ist – und auf diese Weise historische Archive zu füllen“. Allerdings sagt er zugleich, denkbar sei auch, „dass erhebliche Verdachtsmomente bleiben können, der Anfangsverdacht aber nicht zum hinreichenden Tatverdacht erstarkt ist“. Sollen die Vorgänge jetzt in dieser schmalen Grauzone verortet werden? Der politische Druck auf die Staatsanwaltschaft ist enorm. Er wird durch Medienberichte erhöht, in denen etwa nie Behauptetes lautstark widerlegt wird. Etwa, wenn Generalstaatsanwalt Linden mit der Äußerung zitiert wird, es sei Fakt, dass es zum Zeitpunkt des Regierungswechsels 1998 Datenlöschungen gab und dass Akten fehlen. Nichts anderes hatten auch seine Staatsanwälte in Bonn festgestellt, zuletzt in ihrem 204-seitigen Abschlussvermerk. Der lag über einen Monat auf Lindens Schreibtisch, bevor er Ende März die Behörde offiziell verließ.

Sollten sich die Verdächtigungen, die sich teilweise gegen einzelne Kanzleramtsmitarbeiter richteten, als haltlos erweisen, könnte das gesamte Verfahren für das Kanzleramt nach hinten losgehen. Besonders die beiden Hauptrechercheure Steinmeiers, die Kanzleramtsreferatsleiterin Margarethe Sudhoff und der Jurist Burkhard Hirsch, könnten unangenehme Fragen beantworten müssen, die vor dem Hintergrund des Verdachts falscher Verdächtigung aufkommen könnten. 

Quelle: Die WELT, 1.7.2003.

Ausstellung „Lebensader Waldnaab“

Weiden. Das Foto einer attraktiven Badenixe im „so genannten Frauenbad“ lässt stutzen. Der Sittenkodex sorgte im Stadtbad am Ufer der Naab für die Trennung der Geschlechter. Vor 1900 mussten die Damen des Weidener Bürgertums gar in angepachteten Badehäuschen unbesehen in der Naab plantschen: überraschende Facetten der „Lebensader Waldnaab“.

Der Brunnen vor dem Neuen Rathaus der Stadt Weiden in der Oberpfalz gluckste und plätscherte, als Oberbürgermeister Hans Schröpf gemeinsam mit dem Direktor des Wasserwirtschaftsamts, Erich Eichenseer, am Donnerstag, den 26. Juni, im Freien die mit der Stadtgärtnerei und dem Stadtarchiv geschaffene Ausstellung eröffnete.

Historische Fotos führen dem Betrachter den gewaltigen Einschnitt der Hochwasserfreilegung Ende der 1930er Jahre ebenso vor Augen wie die ersten Erfolge der Renaturierung. In der Schweinenaab siedelt bereits wieder der Flusskrebs, vom Aussterben bedrohte Kleinstlebewesen und Pflanzen kehren zurück. Zufriedenen Blickes beäugen in der Ausstellung ein fetter Biber und ein stolzer Reiher die Selbstreinigungskraft eines fließenden Gewässers – im Vergleich zu einer stehenden „Brühe“.

Die Schautafeln erklären auch das Rätsel eines „Dükers“: der – unterirdischen – Kreuzung von Flutkanal und Naab. Die Gegenüberstellung der Gewässergütekarten von 1970 und 2003 beweist, dass es Waldnaab und Naab (ab Weiden-Süd) vom gelb-roten, kritisch bis hoch belasteten Fluss in den idealen „grünen Bereich“ (gering bis mäßig belastet) geschafft haben.

„Zurück zur Natur“, freute sich OB Hans Schröpf über besonders gelungene Beispiele der Renaturierung. Der Direktor des Wasserwirtschaftsamts, Erich Eichenseer, berichtete vom „Boom der Flüsse“ in Bayern, vom Kampf um das Wasser, mit dem Wasser und gegen das Wasser. „Die Waldnaab hat auch die Stadtentwicklung und das Erscheinungsbild Weidens mit geprägt.“ Als Stadt am Fluss habe Weiden einen nicht unerheblichen Standortvorteil. Ein Team des Wasserwirtschaftsamtes unter Leitung von Rolf Schlapschy konzipierte die Ausstellung. Georg Otto steuerte farbenkräftige Landschaftsbilder bei. Mit Adern verglich Leitender Baudirektor Jörg Ernstberger von der Regierung das Wesen der Flüsse: „Sie verbinden und halten das Leben in Gang.“

Stadtarchivarin Annemarie Krauß schilderte anschaulich jene Zeit, als jedes Frühjahr bis zu 2000 Hektar Naabwiesen unter Wasser standen und der Eisstoß immer wieder die Brücken beschädigte. Die Stadtarchivarin zitierte aus den Erinnerungen ihres verstorbenen Mannes Fritz an die Heumahd bei Moosbürg, als es noch zahllose Frösche gab und bis zu einem halben Dutzend Störche über die frisch gemähte Wiese stakste. Alle Arbeit war vergebens, wenn die wilde Waldnaab nach einem Gewitterregen das Heu einfach weg schwemmte.

Fast 20 Jahre, von 1857 bis 1876, stritten sich die Weidener in einer „Schutzgenossenschaft“ ohne praktischen Erfolg um eine Hochwasserfreilegung. Mit den ersten Planungen beauftragte die Regierung 1912 das städtische Kulturbauamt. Es dauerte schließlich bis 1923, ehe der Entwurf für einen Hochwasserkanal vorlag. Bei dem Millionenprojekt – der damals bedeutendsten Wasserbaumaßnahme in der Oberpfalz – mussten die Landwirte pro Tagwerk eine Umlage von 385 Reichsmark aufbringen, einen Tausender mehr kostete die Hochwasserfreilegung von Bauland. 

Kontakt:
Stadtarchiv Weiden
Pfarrplatz 4
92637 Weiden in der Oberpfalz
Tel.: 0961/81-471
archiv@weiden-oberpfalz.de
Öffnungszeiten: Mo-Fr 9-12 / 14-16 Uhr
Bestände

Quelle: Oberpfalznetz, 27.6.2003