„Archiv und Wirtschaft“ 2/2003

Die Zeitschrift „Archiv und Wirtschaft“, 36. Jahrgang, 2003, Heft 2, enthält folgende Beiträge:

  • Bernd Sösemann: Archivare und Historiker vor den Herausforderungen der Informations- und Kommunikationssysteme. Was dürfen Historiker von einem elektronischen Archiv erwarten?
  • Ullrich Troitzsch: Ein genossenschaftliches Archiv in der Lüneburger Heide
  • Heidi-Melanie Maier: Unternehmensarchive im Mittelstand? Eine Abwägung

Berichte:

  • Ingo Köhler: Workshop „Das Bankwesen in Mitteleuropa während des Nationalsozialismus – Neue Quellenbestände und neue Forschungsperspektiven“ am 24. September 2002 im Carolinum der Karls-Universität in Prag
  • Christian Finger: Arbeitskreis der Chemiearchivare am 19. November 2002 in Düsseldorf
  • Renate Schwärzel: Zu Gast im Landesarchiv Berlin. Bericht vom Herbsttreffen des Regionalen Erfahrungsaustausches Berlin/Brandenburg
  • Wofgang Richter: Für eine Partnerschaft von Informationstechnik und Archiven. Auftakt des Arbeitskreises „Elektronische Archivierung“ der VdW am 20./21. November 2002 in Wolfsburg

Rezensionen:

  • Joachim S. Heise: Für Firma, Gott und Vaterland. Betriebliche Kriegszeitschriften im Ersten Weltkrieg. Das Beispiel Hannover (Jürgen Schmid)
  • Ursula Becker: Kaffee-Konzentration. Zur Entwicklung und Organisation des hanseatischen Kaffeehandels (Detlef Krause)
  • Werner Abelshauser (Hrsg.): Die BASF. Eine Unternehmensgeschichte (Kurt Schilde)
  • Sofia Harrschar-Ehrnborg: Finanzplatzstrukturen in Europa. Die Entstehung und Entwicklung von Finanzzentren (Carsten Hartkopf)

Nachruf Dr. jur. Klaus Huegel (Horst A. Wessel)

Wim Mes-Symposium – Dank für mehr als 25 Jahre bei SHCL (Horst A. Wessel)

Personalnachrichten/Verschiedenes

Info:
Archiv und Wirtschaft. Zeitschrift für das Archivwesen der Wirtschaft,
hrsg. von der Vereinigung deutscher Wirtschaftsarchivare; ISSN 0234-6270
http://www.wirtschaftsarchive.de/zeitschrift/zeitschr.html

Kontakt:
Detlef Krause M.A. (Redaktionsleiter)
COMMERZBANK AG
ZKV-Historische Dokumentation
Kaiserplatz
60261 Frankfurt am Main
Tel.: 069/136-23616
Fax:  069/136-23422
E-Mail: detlef.krause@commerzbank.com

Attentat auf Kanzler Adenauer

Im Sommer 2002 tauchte im Staatsarchiv München eine Akte auf, die lange Zeit als verschollen galt: die Ermittlungsunterlagen über das Bombenattentat auf Bundeskanzler Konrad Adenauer am 27. März 1952 in München. Die Urheber des Anschlags stammten offenbar aus den Reihen der 1948 aufgelösten jüdischen Organisation „Irgun Zwai Leumi“ (auch „Etzel“ genannt). Keiner der mutmaßlichen Täter stand je vor Gericht. Das Ermittlungsverfahren wurde 1978 eingestellt.

In der FAZ vom 4.7.2003 berichtet Henning Sietz, Autor des in wenigen Tagen im Siedler Verlag erscheinenden Buches „Attentat auf Adenauer. Die geheime Geschichte eines politischen Anschlags“ über die Hintergründe.

Zwei Münchner Jungen bewahrten damals Bundeskanzler Konrad Adenauer vor dem Bombenanschlag. Sie hatten von einem Mann ein an den Kanzler adressiertes Paket erhalten, es aber der Polizei übergegeben. Es enthielt eine Bombe, die einen Sprengstoffexperten bei der Kontrolle des Konvoluts das Leben kostete. Diese Bombe sollte offenbar die Wiedergutmachungsverhandlungen, die am 21.3.1952 in Wassenaar bei Den Haag zwischen Deutschland und Israel begonnen hatten, stören.

Das misslungene Attentat auf den Kanzler war der Auftakt zu einer der „sonderbarsten Ermittlungen in der Geschichte der Bundesrepublik“, wie Sietz schreibt. Obwohl der Anschlag von München etwa zwei Wochen das beherrschende Thema der Presse war, sei er heute fast völlig vergessen. Grund dafür ist die Geheimhaltung, zu der sich die Behörden ab etwa Mitte April 1952 gezwungen sahen. Denn schon nach kurzer Zeit offenbarten die Ermittlungen, dass die Bombe, der noch zwei weitere Sprengsätze folgen sollten, nicht die Ausgeburt eines Verrückten war, sondern ein wohl kalkulierter, politisch motivierter Anschlag, der verhindern sollte, dass die Bundesrepublik die Rückkehr in die Gemeinschaft der (westlichen) Staaten gelang.

>> Henning Sietz, Jahrgang 1953, studierte Slawistik und arbeitet als freier Journalist in Hamburg.<<

Quelle: FAZ, 4.7.2003, Seite 8.

1. Tag der sachsen-anhaltinischen Landesgeschichte

Am 28. Juni 2003 fand im neuen Archivgebäude der Abteilung Dessau des Landeshauptarchivs Sachsen-Anhalt der „1. Tag der sachsen-anhaltischen Landesgeschichte“ statt. In einem Tagungsbericht für H-Soz-u-Kult berichtet Michael Hecht (Halle) über die Veranstaltung:

Die Historische Kommission für Sachsen-Anhalt und das Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt als Ausrichter verbanden mit der Etablierung einer solchen, in anderen Bundesländern bereits bekannten Veranstaltung vornehmlich zwei Ziele: Erstens sollte die Vernetzung zwischen universitärer Forschung, Archivwesen,
Geschichtsvereinen und Museen im Land Sachsen-Anhalt befördert und ein Forum für die Präsentation von Projekten und Forschungsergebnissen geschaffen werden, zweitens die Region des heutigen Sachsen-Anhalt mit Blick auf die vergleichende deutsche Landesgeschichte stärker ins Bewußtsein geraten.

Schwerpunktthema des „1. Tages“ stellte die Stadtgeschichte dar, da einerseits in bezug auf die Städtelandschaft Sachsen-Anhalts deutliche Forschungsdefizite bestehen, andererseits eine Vielzahl von Stadtjubiläen in den kommenden Jahren (Aschersleben 2003, Halberstadt 2004, Magdeburg 2005 und Halle 2006) Herausforderungen und Chancen bereithält (vgl. zu den einzelnen Sektionen und Vorträgen ausführlich den Tagungsbericht).

Gemessen am großen Interesse der Teilnehmer und am weitgehend hohen Niveau der Vorträge kann der 1. Tag der sachsen-anhaltischen Landesgeschichte, so urteilt Hecht, als Erfolg gewertet werden, wobei das organisierte „Beiprogramm“ (Archivführungen, Büchertische) zusätzlich positiv hervorgehoben wird.

Gründung eines Landesverbandes Hessen im VdA

Auf dem diesjährigen Hessischen Archivtag in Marburg wurde am 24.6.2003 auf Initiative einiger hessischer Archivarinnen und Archivare – Dr. Irene Jung, Stadtarchiv Wetzlar, Holger Bogs, Zentralarchiv der Evangelischen Kirche Hessen Nassau, Dr. Dieter Degreif, Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden und Dr. Andreas Hedwig, Hessisches Staatsarchiv Marburg – der Landesverband Hessen im VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. gegründet.

Laut Satzung soll er zum festen Zusammenhalt zwischen den Mitgliedern sowie zur Wahrnehmung und Vertretung berufsständischer und archivfachlicher Interessen auf Landesebene beitragen und das Archivwesen in Theorie und Praxis fördern,   insbesondere durch Erfahrungsaustausch und fachliche Weiterbildung. Der Landesverband wird künftig jährlich den Hessischen Archivtag ausrichten, an dem alle in Archiven des Bundeslandes Hessen haupt- und nebenamtlich beschäftigen Archivarinnen und Archivare sowie interessierte Gäste teilnehmen können. Der Ort des nächsten hessischen Archivtages steht bereits fest: Er soll im Juni 2004 aus Anlass des Bonifatius-Jahres in Fulda stattfinden.

Ziel des Landesverbandes ist es, Archivsparten übergreifend und integrierend zu wirken und zu diesem Zweck mit den Archiveinrichtungen des Bundeslandes Hessen, der Kommunen, der Kirchen, der Wirtschaft, der Medien, der Wissenschaft und anderen Trägern zusammenzuarbeiten. Hessen ist übrigens – nach Nordrhein-Westfalen, das nur kurze Zeit einen Landesverband hatte – das erste „alte“ Bundesland mit einem Landesverband.
 
Dem Vorstand des Landesverbandes gehören folgende Mitglieder an:
Dr. Brigitte Streich, Stadtarchiv Wiesbaden (Vorsitzende),
Dr. Thomas Heiler, Stadtarchiv Fulda (Stellvertreter),
Birgit Dreuth, Zentralarchiv der Evangelischen Kirche Hessen Nassau in Darmstadt (Schriftführerin),
Dr. Karl Murk, Staatsarchiv Marburg (Schatzmeister).

Quelle: www.vda.archiv.net 3.7.2003.

Kriminalität im Frankfurt des 18. Jahrhunderts

Für seine Habilitationsschrift hat der Historiker Joachim Eibach die „Criminalia“, also die Prozessakten aus den reichsstädtischen und freistädtischen Zeiten Frankfurts untersucht. Die Mitschriften von 11.000 Strafverhandlungen in der Zeit vom 16. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts lagern im Archiv des Instituts für Stadtgeschichte im Karmeliterkloster. 700 Fälle hat Joachim Eibach, der unter anderem als Privatdozent an der Justus-Liebig-Universität in Gießen lehrt, ausgewertet. Sein rund 480 Seiten schweres Buch „Frankfurter Verhöre. Städtische Lebenswelten und Kriminalität im 18. Jahrhundert“ ist jetzt erschienen

Darin konzentriert der Autor sich nicht auf die Skizzierung der Verbrechen, sondern sucht nach Hinweisen auf die damaligen Lebensverhältnisse. „Die Akten enthalten Aussagen von Delinquenten, Opfern und Zeugen. Sie sind häufig Angehörige einer Schicht, über die es sonst kaum schriftliche Zeugnisse gibt.“ Aspekte wie Stadtfrieden, Ehre und Nahrung spielten eine zentrale Rolle für die Bürger.

Neben Nachbarschaftsquerelen, Diebstahl und Betrug wurden auch Mord und Totschlag verhandelt. Aber statistisch gesehen waren die Frankfurter vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts weniger gewalttätig als heute. Die verhängten Strafen spiegeln den wachsenden Einfluss der Aufklärung wieder. „Die Strafe erhielt einen neuen Zweck: Nicht mehr Sünde oder Reue stand im Vordergrund, sondern Erziehung“, so Joachim Eibach. Der Pranger oder der hölzerne Esel, mit denen die Delinquenten dem öffentlichen Hohn ausgeliefert wurden, verloren an Bedeutung.

  • Joachim Eibach: Frankfurter Verhöre. Städtische Lebenswelten und Kriminalität im 18. Jahrhundert, Schöningh Verlag Paderborn 2003, 44 Euro.

    Weitere Titel von Joachim Eibach zum Thema:
  • Kriminalitätsgeschichte zwischen Sozialgeschichte und Historischer Kulturforschung, in: Historische Zeitschrift (1996).
  • Städtische Gewaltkriminalität im Ancien Régime, in: Zeitschrift für Historische Forschung (1998).

Quelle: FR, 3.7.2003

Wochenschau-archiv.de

Ein Jahrhundert deutsche und internationale Zeitgeschichte in bewegten Bildern bietet ein neues Pilotprojekt im Internet. Filmmaterial aus der Kaiserzeit, der Weimarer Republik, Aufnahmen aus der westdeutschen und der ostdeutschen Wochenschauen sowie Dokumentationen von den Nürnberger Prozessen bis zum Fall der Mauer können kostenlos abgerufen werden. Unter www.wochenschau-archiv.de kann jeder Interessierte das Archiv durchstöbern und Filmausschnitte recherchieren und verwerten, wie Studio Hamburg mitteilte.

Das Internetportal wurde von der Studio Hamburg Fernseh-Allianz eingerichtet; das Pilotprojekt wird gemeinsam vom Bundesarchiv und der DEFA-Stiftung sowie deren Auswerter Deutsche Wochenschau, Transit Film und Progress Film-Verleih getragen. Das Online-Archiv umfasst bereits 100 Stunden Material und wird kontinuierlich ausgebaut. Insgesamt werden allein 10.000 Wochenschauen oder umgerechnet 2.000 Stunden Filmmaterial ausgewertet; vieles davon war noch nie im Fernsehen zu sehen.

Zu den Trägern:

Bundesarchiv-Filmarchiv Berlin
Das Filmarchiv ist eine Abteilung des Bundesarchivs, in das seit dem 3. Oktober 1990 das Staatliche Filmarchiv der DDR eingegliedert ist. Damit ist es eines der größten Filmarchive der Welt und das zentrale deutsche Filmarchiv. Im Kinematheksverbund arbeitet es mit anderen filmarchivischen Einrichtungen in Deutschland zusammen; auf internationaler Ebene bilden die FIAF (Fédération Internationale des Archives du Film) und die ACE (Association des Cinématheques Européenes) das Forum für filmarchivische Kooperation. Sein Sitz ist in Berlin, ein neues Filmbearbeitungsgebäude und ein Magazin zur Lagerung von Nitromaterialien entsteht derzeit in Dahlwitz-Hoppegarten.

DEFA-Stiftung Berlin
Die DEFA-Stiftung wurde im Januar 1999 gegründet. Nach der Wiedervereinigung 1990 wurden die zu DDR-Zeiten volkseigenen DEFA-Studios privatisiert. Vom Privatisierungsprozeß ausgenommen waren die Rechte an den von 1946 bis 1990 produzierten Filmen. Bundesregierung und Treuhandanstalt, die die Transformation der DDR- Wirtschaft auf marktwirtschaftliche Bedingungen vornahm, respektierten den von den Filmemachern der DEFA artikulierten Wunsch, die von ihnen geschaffenen Filmwerke nicht in Privateigentum zu veräußern, sondern sie einer Stiftung zu übertragen.

Deutsche Wochenschau GmbH Hamburg
Die Neue Deutsche Wochenschau GmbH wurde im Dezember 1949 in Hamburg gegründet. Im Dezember 1955 erfolgte die Umwandlung der Firma Neue Deutsche Wochenschau in DEUTSCHE WOCHENSCHAU GmbH, seit 1978 ist die DEUTSCHE WOCHENSCHAU eine Tochterfirma der MULTIMEDIA GmbH. Ab 1950 wurden verschiedene Wochenschauen hergestellt, wie NEUE DEUTSCHE WOCHENSCHAU, WELT IM BILD, UFA und ZEITLUPE.

Transit-Film GmbH München
Die im Jahre 1966 gegründete Transit Film GmbH ist exklusiv mit der gewerblichen weltweiten Auswertung der Filmdokumente aus den Beständen des Bundesarchiv-Filmarchiv Berlin, schwerpunktmäßig bis 1945, beauftragt. Darunter befinden sich unter anderem Stumm- und Tonfilmwochenschauen der Deulig-Woche, Messter-Woche, Ufa-Wochenschau, Terra-Wochenschau, Tobis-Wochenschau, Emelka-Ton-Woche, Deutsche Wochenschau und Dokumentarfilme.

Progress-Filmverleih GmbH Berlin
Die PROGRESS Film-Verleih GmbH wertet weltweit exklusiv den gesamten Filmstock der 1946 gegründeten Deutschen Film AG (DEFA) aus. Universelle Auswertungsrechte an über 10.000 Filmtiteln mit unzähligen Stunden Programm, Millionen Meter Filmmaterial aus Dokumentation und Reportage umfasste das DEFA-Filmerbe zu dem Zeitpunkt, als die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) 1997 den PROGRESS Film-Verleih privatisierte. Dazu gehören mehr als 2.000 DEFA- Wochenschauen „Der Augenzeuge“. Zu diesem Bestand kamen seit 1990 zahlreiche Neuproduktionen und umfangreiches Material aus 40 Produktionsjahren der Tellux-Beteiligungsgesellschaft mbH, die seit 2001 alleiniger Gesellschafter des PROGRESS Film-Verleih ist.

Quelle: dpa, www.heise.de

Internetportal „Archivpädagogik“

Auf der Europäischen Konferenz zur Archivpädagogik / European Conference on Educational Learning in Archives vom 19.6.-21.6. in Bocholt wurde ein Internetportal vorgestellt, dass dem Informationsaustausch und der Kooperation der Archivpädagogen in den europäischen Staaten dienen soll: www.elan-net.info.

Alle an Historischer Bildung in Archiven Interessierten können sich hier über Projekte informieren, die in Archiven Europas geplant und durchgeführt wurden – und sollten eigene Projekte einstellen, um sie anderen Interessierten bekannt zu machen.

Meldungen solcher Projekte – auch mit Illustrationen – an:
grohdenburg@staatsarchiv.bremen.de
fon: ++49 421 361 4452  fax: ++49 421 361 10247

Homepage http://www.elan-net.info

Hamburger Stadtteil-Gedächtnisse gelöscht

Die 14 Hamburger Geschichtswerkstätten, deren Zuwendung von jährlich 539 000 Euro im Kulturetat 2004 entfallen soll, wollen eine große Öffentlichkeit gegen diese Radikalkürzung mobilisieren. Noch vor den Haushaltsberatungen im September und der Etat-Abstimmung in der Bürgerschaft wird neben lokalen Aktivitäten eine Großkundgebung organisiert. Außerdem sollen Freunde in allen Fraktionen der Bürgerschaft und der Bezirksversammlungen für den Protest gewonnen werden. Im Ansatz für den Kulturetat 2004, der um 15,9 Millionen Euro steigt, sind die Geschichtswerkstätten die einzige Einrichtung, bei der gespart werden soll, ohne dass dies begründet worden wäre. Die Komplettkürzung dürfte das Aus für alle 14 bedeuten.

Kultursenatorin Dana Horáková hat unterdessen zur Streichung des Etats der 14 Hamburger Stadtteilarchive mitgeteilt, dort sei jetzt „ehrenamtliches Engagement gefragt“. Genau das aber zerschlägt die Senatorin mit ihrem Plan, den Geschichtswerkstätten sämtliche Zuwendungen zu streichen. Denn in den Archiven gibt es insgesamt nur 12 feste MitarbeiterInnen – und rund 200 Menschen, die dort regelmäßig Stadtteilrundgänge anbieten, Veranstaltungen organisieren oder die Archive während deren Öffnungszeiten geöffnet halten. Die Entscheidung der Kultursenatorin, sagten gestern VertreterInnen der Geschichtswerkstätten, „ist ein Schlag ins Gesicht von Ehrenamtlichen“.

Und der widerspreche der vom Senat selbst proklamierten Politik. Dessen Ziel ist nach eigenem Bekunden, ehrenamtliches Engagement zu stärken. In den Geschichtswerkstätten sind gerade viele ältere Menschen engagiert – die sich jetzt durch die Kultursenatorin gedemütigt fühlen, wie Michael Joho von der Geschichtswerkstatt St. Georg sagte.

Die Werkstätten kooperieren eng mit Schulen, Hochschulen, Museen, Künstlern, Vereinen und den BewohnerInnen der Stadtteile. Gerade viele neu Zugezogene informieren sich dort über die Geschichte ihrer Umgebung. Aber auch als außerschulische Bildungsstätte sind die Werkstätten von Bedeutung: Sie werden von SchülerInnen für Geschichtsarbeiten und von ganzen Klassen für Stadtteilrundgänge und Archivarbeit frequentiert. Das Stadtteilarchiv Ottensen beispielsweise unterhält ein denkmalgeschütztes Gebäudeensemble mit historischen Maschinen, die „Ottensener Drahtstifte-Fabrik“. Hier werden speziell für SchülerInnen von 8. Klassen, die in Industriegeschichte unterrichtet werden, Führungen angeboten. Die meisten Schulen in Altona und auch viele 8. Klassen von Gymnasien und Gesamtschulen aus der ganzen Stadt, sagte Brigitte Abramowski vom Stadtteilarchiv Ottensen, „nutzen dieses Angebot“.

Eine Architekturstudentin erzählte, dass auch viele ihrer KommilitonInnen die Stadtteilarchive intensiv nutzen: „Für Architektur- und Stadtplanungsstudenten sind sie unverzichtbar.“ Intensiv ist die Zusammenarbeit auch zwischen Schulen und der Geschichtswerkstatt in Hamm: Diese betreibt das einzige Bunkermuseum der Stadt.

Geerd Dahms vom Bergedorfer Kultur- und Geschichtskontor beschreibt die Geschichtswerkstätten auch als „Mittler zwischen den Generationen“. In Bergedorf werden „Erzählcafés“ veranstaltet, in denen ältere Mitbürger ihre Erlebnisse im Stadtteil schildern. Deren Erfahrungen werden in Büchern veröffentlicht, die regelmäßig jährlich erscheinen. Davon wurden bisher rund 27.000 Exemplare verkauft – überwiegend an jüngere BewohnerInnen des Stadtteils.

Hintergangen fühlen sich die MitarbeiterInnen der Geschichtswerkstätten auch deshalb, weil die Senatorin vor ihrer Entscheidung nicht einmal das Gespräch mit ihnen gesucht hatte. Sie haben erst aus der Bild-„Zeitung“ erfahren, dass ihre Existenz bedroht ist. Joho aber weiß inzwischen, dass im Kulturausschuss der Bürgerschaft „kein monolithischer Block“ in dieser Frage besteht. Dass die Entscheidung Horákovás revidiert wird, so der Mitbegründer der Geschichtswerkstatt St. Georg, „halte ich für denkbar“.

Quelle: TAZ, 2.7.2003, Hamburger Abendblatt, 2.7.2003.

Schriften zur Gießener Stadtgeschichte 6

Kurz vor der Feierstunde in der Friedhofskapelle, die am Sonntag aus Anlass des 100. Jahrestages der ersten Beisetzung am 6. Juli 1903 stattfindet, ist Band 6 der Schriften zur Gießener Stadtgeschichte erschienen. Die beiden Autoren, Stadtarchivar Ludwig Brake und der Leiter des städtischen Garten- und Friedhofsamtes, Jürgen Friedel, stellten am Dienstag das in einer Erstauflage von 600 Exemplaren erschienene Werk der Presse vor.

„Ein Friedhof ist Natur, Kunst und Kultur pur.“ Diese Maxime von Jürgen Friedel gilt in besonderer Weise für die wechselvolle Geschichte des Neuen Friedhofs auf dem Rodtberg. Aber auch Teile von Gießens Stadt-, Wirtschafts-, Kultur-, Politik- und Universitätsgeschichte werden lebendig, wenn über die ab den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts laufenden Planungen, die nicht ohne Widerstand verlaufenen stadtplanerischen Maßnahmen und späteren Umbauten berichtet wird. Die Autoren spannen einen Bogen vom einstigen Gottesacker auf dem Rodtberg bis hin zum High-Tech-Krematorium unserer Tage.

Mit 24 Hektar umfasst der parkähnliche Neue Friedhof heute den dreifachen Flächenumfang der ursprünglichen Anlage. Zu Beginn der neunziger Jahre wurde er in den Dimensionen seiner ersten Anlage „wegen seiner künstlerischen, geschichtlichen und städtebaulichen Bedeutung als Sachgesamtheit“ zum Kulturdenkmal erklärt. Im Anschluss an mehrere Festvorträge wird am kommenden Sonntag (6.7.2003) eine Führung über den Friedhof stattfinden. 

Info:
Der neue Friedhof (Schriften zur Gießener Stadtgeschichte, Band 6)
130 Seiten, Illustrationen, Faltplan
Stückpreis 4,50 Euro, im Buchhandel und im Stadtarchiv erhältlich

Kontakt:
Universitätsstadt Gießen
Stadtarchiv
Postf. 110820
35353 Gießen
Tel.: 0641/6940661
Fax: 0641/6940663
stadtarchiv@giessen.de
http://stadtarchiv-giessen.online-h.de/

Quelle: Giessener Anzeiger, 1.7.2003

Fraktionen pro Stadtarchiv Alzey

Immer mehr Stadtratsmitglieder in Alzey können sich offenbar mit dem Vorschlag der drei historischen Vereine Alzeys anfreunden, das Stadtarchiv vor Ort zu bewahren und die Archivalien von ehrenamtlichen Helfern verwalten zu lassen. Bei SPD, FWG und Grünen zeichnet sich eine Zustimmung ab, bei der CDU gibt es offenbar noch parteiinternen Beratungsbedarf. Erste Interessenten für den Archivdienst haben sich nach Angaben des Altertumsvereins bereits gemeldet.

Das Ende letzte Woche vorgestellte Konzept der Vereine (Bericht) sieht vor, in einer ersten Stufe die neueren Archivalien seit den 1950er Jahren durch einen Fachmann innerhalb von ein bis zwei Jahren aufarbeiten zu lassen. Daran anschließend sollen ehrenamtliche Kräfte die historischen Schriftstücke an die Benutzer ausgeben. Bürgermeister Knut Benkert (SPD) hatte vorgeschlagen, das Archiv ans Landesarchiv Speyer abzugeben.

Sämtliche Fraktionen lobten unisono die Vorschläge der Vereine. Es müsse geprüft werden, ob die Ideen auch realistisch seien. Die Raumfrage müsse beispielsweise geklärt werden, so die SPD-Fraktionschefin. Sie könne sich persönlich einen Verbleib des Archivs in Alzey „gut vorstellen“, wenn sich die Lösung rechne.

Alzey ist nach Auffassung der FWG-Fraktion der bessere Standort für das Archiv. Es sei „sehr sinnvoll, das Archiv in der Stadt zu belassen“, wenn hier ein Raum preiswert gemietet werden könne. Das Engagement der Vereine verdiene großen Respekt und müsse unbedingt berücksichtigt werden. Zumal 2006 eine neue Stadtgeschichte erscheinen soll, sei der Zeitpunkt für eine Abgabe schlecht gewählt.

Die Grünen unterstützen das Konzept der Vereine „voll und ganz“, wie ihr Sprecher sagte. Papier und Positionen, die bei der Sitzung vorgestellt worden seien, hält er für „sehr fundiert“. Speyer sei zwar ein hervorragendes Archiv, aber die Nutzer – Verwaltung, Schule, Geschichtsvereine – lebten eben hier vor Ort. Der Grünen-Sprecher plädiert nun für einen fraktionsübergreifenden Beschlussvorschlag für die Stadtratssitzung im September, dem das Papier der Vereine zugrundegelegt werden soll.

Quelle: Main-Rheiner, 1.7.2003.