Eindrücke eines Archivars zu „.hist 2003“

Vom 9. bis 11. April 2003 fand in Berlin die Tagung „.hist 2003“ statt, bei der es um die Bedeutung und den Einsatz der Neuen Medien in den Geschichtswissenschaften ging. Neben einem Tagungsbericht brachte H-Soz-u-Kult jetzt auch ein Statement von Dr. Thomas Aigner (St. Pölten), in dem er seine Eindrücke von der Berliner Veranstaltung aus archivarischer Sicht schildert.

Die Tagung „.hist 2003. Geschichte und neue Medien“ hat seiner Ansicht nach sehr eindrucksvoll den Unterschied zwischen dem Frohlocken der Historiker über die und den archivarischen Zweiflern an der Dauerhaftigkeit digitaler Informationen und Speichermedien unter Beweis gestellt, wenngleich natürlich nicht der grundsätzliche Einsatz von EDV zur Diskussion gestanden hat. Es ging im wesentlichen um die Präsentation diverser Möglichkeiten der Digitalisierung und der Schaffung von Vernetzungen, insbesondere durch das Internet. So standen als wichtigste Aspekte die Bereitstellung von historischer Information, sei es direkt aus Quellen oder von Wissen ganz allgemein, sowie deren gezielte Strukturierung zwecks effizienter Benützung im Mittelpunkt.

Als Stätten, die historische Informationen verwalten und diese für die Historikerschaft bereitstellen, sind in erster Linie Archive, Bibliotheken und Museen zu betrachten. .hist 2003 habe deutlich gezeigt, dass der Bereich des „Providing Information“ zwar bereits eine ansehnliche Menge an Einzelprojekten aufweise, dass diese zumeist jedoch noch in den Kinderschuhen stecken, weil ihnen Standards fehlen, wie es sie beispielsweise im Bibliotheksbereich durch die Herauskristallisierung einzelner Systeme und international verbindlicher Erschließungsregeln ansatzweise schon gibt.

In Bezug auf einen zweiten Aspekt, des „Using Information“, sei es eine wesentliche, für alle Projekte geltende Forderung, dass die zukünftigen Benutzer verstärkt beim Aufbau von Onlinesystemen einbezogen werden müssten. Ein System sei eben nur dann gut, wenn es „einfach“ zu handhaben sei.

Papierlose Büros haben Konjunktur

Vielen Stadtarchiven geht der Platz aus oder der Schimmelpilz sucht sie heim. Erst kürzlich hat das Esslinger Stadtarchiv Alarm geschlagen, es ersticke in der Aktenflut. Andere Archive, die sich mit Notmagazinen behelfen müssen, plagt der Schimmelpilz, etwa in Marbach im Kreis Ludwigsburg oder in Weinstadt im Rems-Murr-Kreis (siehe untenstehendes Interview). Auch Unternehmen, die Steuerrelevantes per Gesetz zehn Jahre aufbewahren sollten, verwalten die Aktenschwemme mit hohem personellem Aufwand in teuren Büroräumen. Die Stuttgarter Zeitung berichtet über die aus dieser Notlage resultierende Konjunktur eines auf Digitalisierung durch Scannen spezialisierten Dienstleisters.

Ist das Papier dort letztlich vollständig in die digitale Welt eingegangen, werden die Daten zur Sicherheit einmal auf CD oder DVD gebrannt und noch am selben Tag durchs Netz zum Kunden zurückgeschickt. Die Akte selbst wird noch ein paar Wochen aufbewahrt – ehe sie der Reißwolf frisst. Noch immer sei vielen Unternehmern die Vorstellung suspekt, dass das fassbare Papier verschwindet und Unterlagen nur noch virtuell existieren. Die Reservedatenträger werden jedoch vorsorglich alle zwei Jahre kopiert. Was jedoch nicht garantiert, dass sie lesbar bleiben. Die Entwicklung der Technologie und Datenträger über die Jahrzehnte zu verfolgen, sei Aufgabe der EDV-Abteilungen.

Auch manchen Kommunen ist das papierlose Büro eine Investition wert. Die Stadt Balingen lässt in diesen Tagen sämtliche Einwohnermeldeakten digitalisieren. Die rund 100.000 Akten wurden bisher in einem externen Gebäude gelagert, das die Stadt nun anderweitig nutzen kann. Außerdem wird das Einwohnermeldeamt die Polizei künftig schneller mit Informationen versorgen können – nicht mehr mit Kopien der Akten allerdings, die auf das Faxgerät gelegt werden, sondern auf elektronischem Wege.

In einem Interview wurde der Archivar der Stadt Weinstadt, Thomas Schwabach, gefragt, inwieweit moderne Computertechnik in den oben geschilderten Notlagen der Archive eine Hilfe sein kann.

Warum lassen Sie den Bestand Ihres Weinstadter Archivs nicht einfach digitalisieren?

Bei unserem Archivgut handelt es sich vorwiegend um Originaldokumente seit dem 15. Jahrhundert – also um Kulturgüter, die im Original zu erhalten und zu schützen sind. Sie zu digitalisieren birgt Risiken, denn die Technik verändert sich so rasch, dass die Daten nach nur wenigen Jahren nicht mehr ohne immensen Aufwand benutzt werden können. Als abschreckendes Beispiel seien die digitalen Daten der Viking-Marsmission der USA genannt, die heute nicht mehr lesbar sind.

Die Digitalisierung kommt also nur als Zusatzmaßnahme in Frage?

Als solche hat sie zweifellos Vorteile: Die erfassten Daten können etwa für Forschungszwecke ins Internet gestellt werden und sind auch für die Besucher des Archivs leichter zugänglich. Angesichts der hohen Kosten kommt Digitalisierung aber nur für einzelne Archivalien in Frage.

In Weinstadt gibt es Überlegungen, Verwaltungsvorgänge durch die EDV zu optimieren. Sie kommen in Zukunft nicht umhin, elektronische Daten zu archivieren.

Ja, das Problem stellt sich über kurz oder lang. Als Zwischenlösung bietet sich nur an, die archivwürdigen Datenbestände auf alterungsbeständigem Papier auszudrucken oder auf Mikrofilm zu kopieren. Ein Archiv sollte bei der Einführung elektronischer Bürosysteme unbedingt beteiligt sein.

Kontakt:
Stadtarchiv Weinstadt
71373 Weinstadt
Tel.: (07151) 693-289

Quelle: Stuttgarter Zeitung, 21.7.2003.

Tierstimmen-Archiv an der HU Berlin

Das Berliner Tierstimmenarchiv an der Humboldt-Universität gehört zu den größten der Welt. In Amerika und in Großbritannien existieren noch größere Sammlungen, aber danach kommt gleich das Berliner Archiv mit seinen über 5.000 Tonbändern. 100.000 Aufnahmen finden sich hier, die zusammengetragenen Laute von mehr als 4.000 verschiedenen Tierarten. Das Knurren, Summen, Pfeifen und Bellen von sämtlichen Tiergruppen, von Vögeln, Fischen, Säugetieren und Insekten.

Die Sammlung ist untergebracht in einem unauffälligen Raum im ersten Stock eines Gebäudes der Humboldt-Universität, gleich hinter dem Naturkundemuseum. In dem Zimmer steht ein Schreibtisch, es liegen mehrere Mikrofone herum. Ein vergilbtes Poster an einem Glasschrank zeigt die Pfeilgiftfroscharten, die es auf der Welt gibt. Daneben warten dann aber schon die Regale mit den Tonbändern. Sie füllen ein Drittel des Raumes aus. Man kann sagen, es ist das Lebenswerk von Günter Tembrock, das hier lagert.

Tembrock, der heute schon 85 ist und längst in Pension, hat in den 50er-Jahren mit dem Archivieren angefangen. Tembrock hatte einen Lehrstuhl für Bio-Akustik an der Humboldt-Universität. Und man kann sich denken, wie er die Treppen hoch gelaufen ist von dem alten Haus, rein in dieses Zimmer, die erste Ausbeute von den langen Wanderungen draußen in den Wiesen und Wäldern unterm Arm. Wie er es vorsichtig hoch getragen hat, das mühevoll aufgesammelte Geräusch, zusammen mit der schweren Ausrüstung, den Kabeln, den Richtmikrofonen, den Aufnahmekästen. Und wie sich dieses Sammeln zur Leidenschaft auswuchs.

Tembrocks besonderes Forschungsgebiet waren die Rotfüchse. Aber dann hat er auch Vogelstimmen und Insektenlaute aufgezeichnet mit seinem Gerät. Sich stunden- und tagelang auf die Lauer gelegt, bis er den Ton im Kasten hatte. Sogar an seinem Geburtstag ist er losgezogen. 1965 hat er zum Beispiel in Jena den Buchfink gefunden. Ein leichtes Pfeifen. Und als es drauf war auf dem Band, zusammen mit dem „Zilp-Zalp“ und ein paar anderen Vögeln, ist Tembrock gleich zurück nach Berlin, die breite Treppe hoch ins Zimmer, eine Karteikarte ausgefüllt, das Tonband in eine braune Papiertüte gesteckt, sie beschriftet und ins Regal sortiert. So fing es an.

Über 30 Jahre lang hat Günter Tembrock dann in der DDR eines der größten Tierstimmenarchive der Welt aufgebaut. Und dass die Regale mit den Tonbändern im ersten Stock der Humbolt-Universität trotz Mauerfall, Wiedervereinigung und Nachwende-Rezession immer noch stehen, ist allein sein Verdienst. Es sollte abgewickelt werden, das Archiv. Er hat dafür gekämpft. Er hat Briefe geschrieben, hat sich mit der neuen Uni-Leitung gestritten, hat mit den geringen Unterhaltskosten argumentiert. Günter Tembrock hat sich durchgesetzt. Das Archiv durfte bleiben.

Inzwischen ist das natürlich ein Problem mit Tembrocks Tonbändern. Sie gehen kaputt über die Jahre. Karl-Heinz Frommolt, der inzwischen das Tierstimmenarchiv am Fachbereich Bioakustik der Humboldt-Universität leitet, ist ein kleiner, stiller Mann, 42 Jahre alt, und Frommolts vordringlichste Aufgabe ist es derzeit, dafür zu sorgen, dass die wertvollen Aufnahmen nicht verloren gehen. Dafür muss das Material digitalisiert werden. Das ganze Amselgezwitscher, Hundegebell, Heuschreckengezirpe. Ein Auftrag, der zu groß ist für einen Wissenschaftler allein und eine technische Hilfskraft. Man muss die Bestände genau anhören, auswerten, Nebengeräusche ausmachen, das Aussortierte in den Computer einspeisen, Datenbanken erstellen. Allein das Anhören jedes einzelnen Bandes würde viele Monate dauern. „Kaum zu schaffen ist das“, sagt Frommolt in seiner ruhigen Art. 1.000 Aufnahmen haben sie in eineinhalb Jahren digitalisiert, ein kleiner Bruchteil des Bestandes.

Was macht aber eine Stadt wie Berlin mit solchen Tondokumenten? „Wissenschaft“, antwortet Karl-Heinz Frommolt knapp. Spezialisten aus aller Welt nutzen das Berliner Archiv für Forschungszwecke, sie schätzen die einmalige Qualität und Größe des Bestands. Die Aufnahmen werden dabei vor allem zur Kommunikation mit anderen Tieren eingesetzt. Frommolt hat das selbst schon oft getan. Er ist nach Usbekistan gefahren und hat Wölfe beobachtet. Er hat den Tieren das Wolfsgeheul aus dem Berliner Archiv vorgespielt und konnte die echten Artgenossen damit anlocken. Nun muss man zugeben, dass das keine wirklich neue Methode ist. Alte Wolfsjäger kennen diesen Kniff schon lange. Da muss man nur nachlesen in der russischen Jagdliteratur des 19. Jahrhunderts. Die Jäger haben sich in den Wald gestellt, Wolfsgeheul imitiert und so ihre Beute geködert. „Aber trotzdem“, sagt Frommolt. „Die Tierforschung gewinn mit dieser Methode Erkenntnisse.“ – „Tiere halten sich anhand ihrer Stimmen auseinander.“ Das ist zum Beispiel so eine Erkenntnis, die Frommolt anführt. Auch wenn sie ein bisschen banal klingt. Aber tatsächlich ist es wenig, was die Wissenschaft bislang zur Kommunikation unter Tieren herausgefunden hat. Dabei Wunschist das doch der große Wunsch, der einem Tierstimmenarchiv anhängt. Dass es hilft, ein Übersetzungsprogramm zu finden für die Sprache der Insekten, Vögel und Wale. Und was sagt ein Hund, wenn er leise knurrt?

Karl-Heinz Fommolt lächelt. Es ist das nachsichtige Lächeln des Experten, der es besser weiß. In Wahrheit gibt es nur einen einzigen Fall, sagt er, in dem man exakt entschlüsseln kann, was das Tiergeräusch bedeutet: „Das ist bei der grünen Meerkatze.“ Diese Affenart stößt unterschiedliche Warnrufe aus. Bei einer Schlange klingen die Schreie anders, als wenn die Meerkatze ihre Artgenossen vor Luftfeinden warnt. Forscher können diese Laute eindeutig zuordnen. „Das ist der einzige Fall, wo eine Übersetzung funktioniert.“

Dafür weiß man mittlerweile andere Dinge. Zum Beispiel dass Vögel neue Töne lernen, Säugetiere nicht. Regelrechte regionale Dialekte können Vögel entwickeln. Die Goldammer zum Beispiel singt nördlich einer bestimmten geographischen Linie anders als ihre südlichen Artgenossen. Man kann nicht genau sagen, warum, das so ist. „Es hat etwas damit zu tun, dass die Vögel immer wieder zu ihren angestammten Nistplätzen zurückkehren“, meint Frommolt, „die Arten vermischen sich nicht richtig.“ Das könnte ein Grund für die Dialekte sein, Frommolt kann es nicht genau sagen. Aber er kann einem den Unterschied vorspielen mit seinem Archiv.

Deswegen ist es doch wirklich schön, dass es diese wunderbare Sammlung gibt. Dass man sich in einen unscheinbaren Raum der Berliner Humboldt-Universität stellen kann und den Goldammern zuhören und einem ein Mann wie Karl-Heinz Frommolt gegenübersitzt, der mit leuchtenden Augen erzählt, dass selbst die Fische nicht so stumm sind, wie man denkt. Frommolt meint nicht die Wale und die Delphine. Er meint die kleinen unscheinbaren Fische, die überall umherschwimmen. Auch sie machen Geräusch.

Was diese Laute bedeuten, kann er nicht sagen. Aber Frommolt ist Wissenschaftler genug, dass ihm die Ratlosigkeit in der Welt eher als Herausforderung denn als trostlose Angelegenheit begegnet: „Für mich sind mehr Fragen offen als geklärt“, sagt Fromolt bescheiden. Der Archivar bleibt auf seinem Stuhl sitzen. Er macht einen sehr glücklichen Eindruck.

Link: Gespräch mit Prof. Tembrock zum 80. Geburtstag

Quelle: taz Berlin lokal Nr. 7108 vom 19.7.2003, Seite 31.

Erklärung der Kölner Stifter

Die Abteilung „Nachlässe und Sammlungen“ des Historischen Archivs der Stadt Köln könnte aufgrund der aktuellen Haushaltssituation per Beschluss des Finanzausschusses gestrichen werden. Jürgen Becker, Hans Bender, Anne Dorn und Dieter Wellershoff richteten im Namen der Stifter folgende Erklärung an den Kölner Rat:

„Die Nachricht, dass im Rat der Stadt die Ablösung der Abteilung Sammlungen und Nachlässe im Historischen Archiv der Stadt Köln beschlossen werden soll, hat unter den Stiftern Bestürzung ausgelöst.
Es ist eine unfassbare Groteske angesichts der Absicht der Stadt, sich zur gleichen Zeit um den Titel Kulturhauptstadt Europas zu bewerben. Der entstehende Schaden ist nicht mehr zu revidieren.
Eine Stadt, die eine zweihundertjährige Dokumentation ihrer kulturellen Vergangenheit auflöst, verzichtet auf ihre kulturelle Identität. Mit dieser Maßnahme liquidiert die Stadt ihr Gedächtnis.
Außerdem verstößt diese Maßnahme gegen Treu und Glauben, da die Stifter ihre Archive für eine dauerhafte Präsenz und Nutzung übergeben haben.
Die geplante Auflösung des Archivs ist ohnehin blinder Aktionismus, mit dem man offensichtlich darüber hinwegsieht, dass die zu erwartenden Kosten die Einsparungen bei weitem überschreiten werden.
Die Öffentlichkeit kann nicht dulden, dass das kulturelle Ansehen der Stadt auf diese Weise vollends ruiniert wird.“

Link: http://www.stadt-koeln.de/kulturstadt/ !

Kontakt:
Historisches Archiv der Stadt Köln
Severinstr. 222-228
D-50676 Köln
Telefon: 0221-221-22329
Telefax: 0221-221-22480
E-mail: hastk@netcologne.de

Quelle: Kölner Stadtanzeiger, 19.7.2003.

Katastrophenvorsorge in Archiven

Vom 24. bis 26. Juni 2003 trafen sich rund 45 Archivarinnen und Archivare sowie Gäste aus dem Bibliotheks- und Museumsbereich in Markersbach/Sachsen zum Seminar „Katastrophenvorsorge in Archiven. Bestandsaufnahme“. Dabei handelte es sich um die jährlich von der Bundeskonferenz der Kommunalarchive (BKK) beim Deutschen Städtetag durchgeführte Fortbildungsveranstaltung, die traditionell vom Westfälischen Archivamt vorbereitet wird und an der sich angesichts der Flutkatastrophe vom August 2002 der Landesverband Sachsen im VdA und die Fachgruppe 2 des VdA -Verband deutscher Archivarinnen und Archivare beteiligt haben. Das Seminar diente dazu, den Stand der Katastrophenvorsorge in Archiven und die Anwendbarkeit vorliegender Katastrophenpläne zu ermitteln sowie wesentliche Punkte für realistische und aussagekräftige Handreichungen zusammenzutragen.

Raymond Plache, Vorsitzender des Landesverbandes Sachsen im VdA, führte eine „Chronologie der Flut“ an, in der er neben der Schilderung der zur Flut führenden meteorologischen Umstände vor allem den Ablauf der Tage im August 2002 in Sachsen und den anderen betroffenen Regionen schilderte.
Die erste Arbeitssitzung stand ganz im Zeichen der Erfahrungsberichte einzelner Kolleginnen und Kollegen über die noch allgegenwärtige Hochwasserkatastrophe vom August 2002. Die Stadtarchivarin von Pirna, Angela Geyer, und die Mitarbeiterin des Stadtarchivs Grimma, Jaqueline Forner, informierten auch über eingeleitete Maßnahmen zur Rettung ihrer Archivalien und den derzeitigen Sachstand.

Veronique Töpel, Sächsisches Wirtschaftsarchiv Leipzig, informierte die Anwesenden über Hilfsangebote des Archivs und die Hochwasserschäden in sächsischen Wirtschaftsarchiven. Insbesondere ging sie anhand von Erfahrungsberichten aus den Unternehmen auf die Rettung von Hochwasser geschädigten Dokumentationsakten zum Gasleitungsnetz in der Stadtwerke Chemnitz GmbH und auf die Situation im Archiv der Sächsischen Zeitung ein.
Dr. Wolfgang Frühauf, Landesbeauftragter für Bestandserhaltung an der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden, referierte über die Flutschäden und die Fluthilfe in sächsischen Bibliotheken. Dr. Thomas Schuler rundete mit seinem Beitrag über die Schäden in sächsischen Museen und dem Hinweis auf die von ihm sozusagen druckfrisch erarbeitete Agenda-Liste zur Katastrophenvorsorge den Nachmittag ab.

Am zweiten Seminartag ging es u.a. um die Vorsorge für den Katastrophenfall. Dazu waren Referenten aus dem Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes eingeladen. Man ermunterte die Anwesenden, das Gespräch mit den zuständigen Behörden bzw. der örtlichen Feuerwehr selbst zu suchen, um die gegenseitigen Befindlichkeiten vor dem Eintritt eines Katastrophenfalls zu klären, auch um vorhandene Vorlaufzeiten besser zu nutzen. Die Bereitschaft der örtlichen Behörden zur Aufnahme der Archive in die Einsatzpläne ist vielfach vorhanden. Dass Archive dann tatsächlich darin ihren Platz erhalten, ist auch ein Ergebnis des persönlichen Engagements.

Arnd Weinhold vom Sächsischen Ministerium des Innern, Referat Katastrophenschutz, referierte über Rechtsvorschriften zum Katastrophenschutz und die Zuständigkeit von Bund, Ländern und Gemeinden im Katastrophenfall. Insbesondere informierte er über das Zivilschutzgesetz, über das Gesetz über den Katastrophenschutz im Freistaat Sachsen und über die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut von 1954. Besonders interessant für die Kolleginnen und Kollegen war der Hinweis auf §9 des Sächsischen Katastrophenschutzgesetzes, welcher die Mitwirkung der Gemeinden im Katastrophenschutz zwingend vorschreibt. Die Ausführungen Weinholds zeigten Wege auf, Archive in die Katastrophenpläne einzubeziehen, eine Forderung, die bereits seine Vorredner gestellt hatten.

Frau Dr. Andrea Wettmann, Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden widmete sich in ihrem Referat den Hochwasserschäden an Registraturen der Justiz und den Auswirkungen der Verluste auf die Geschichtsforschung. Von besonderem Interesse für die Kolleginnen und Kollegen war, das den ablieferungspflichtigen Stellen seitens des Sächsischen Hauptstaatsarchivs Dresden keine Genehmigung zur Kassation sämtlicher von der Flut beschädigter Unterlagen erteilt wurde, wie es die Verantwortlichen der Registraturbildner teilweise gefordert hatten, sondern das die Vernichtung einschließlich der Finanzierung in deren Zuständigkeit erfolgte.

Der dritte Seminartag diente dazu, vorhandene Musternotfallpläne und die aus dem Seminar gewonnen Erkenntnisse zu bündeln mit dem Ziel, eine praktikable Handreichung zu erarbeiten. An die Vorstellung des Musternotfallplanes für westfälische Kommunalarchive durch Rickmer Kießling vom Westfälischen Archivamt Münster schloß sich eine Gesprächsrunde zur Umsetzung der an den Seminartagen gewonnenen Erkenntnisse in einem künftigen Musternotfallplan an. Man verständigte sich, dies im kleineren Kreis weiter zu bearbeiten. Die Ergebnisse sollen bis zum Herbst zusammengefasst und später gemeinsam mit den Referaten veröffentlicht werden.

Quelle: Seminarbericht von Grit Richter-Laugwitz, Vorstand des Landesverbandes Sachsen

Vom Briefgewölbe zum Staatsarchiv Amberg

Hinter den Mauern des Staatsarchivs Amberg verbergen sich nicht nur Schätze für Historiker, sondern vor allem auch für Heimat- und Familienforscher. Aber auch für alle anderen Interessenten öffnen sich dort die Türen am Montag, 28. Juli, zur Ausstellung „Vom mittelalterlichen Briefgewölbe zum modernen Staatsarchiv“. Außerdem wird der neue Kurzführer vorgestellt, der ab Freitag, 25. Juli, auch im Internet unter www.gda.bayern.de zu lesen sein wird.

Anhand von Originaldokumenten erläutert die Ausstellung die wechselvolle Geschichte des Staatsarchivs, das aus dem Briefgewölbe des Amberger Viztumamts hervorgegangen ist. Dieses wurde bereits 1330 von den Pfalzgrafen bei Rhein errichtet.

Weiterhin erhalten die Besucher einen Überblick über Registratoren, Archivare und deren Arbeit. Ebenso werden die verschiedenen Archivgebäude der Stadt erläutert. So hingen die Pergamenturkunden seit dem Ende des 16. Jahrhunderts in Ledersäcken im Fuchssteiner Turm des Amberger Schlosses, um sie vor Mäusefraß zu schützen. Für die Neuzeit liegt der Schwerpunkt der Ausstellung auf dem wechselvollen Schicksal des Archivs im 19. Jahrhundert: Vom Registraturdepot zum modernen Staatsarchiv.

In dem Kurzführer werden unter anderen die notwendigen technischen Grundinformationen, ebenfalls eine kurze Geschichte des Archivs und die verschiedenen Bestandsakten aufgeführt: Insgesamt ruhen über 2,6 Millionen Archivalien in dem Gebäude. In die geschichtsträchtigen Urkunden, Amtsbücher, Akten, Karten und Pläne kann bis Freitag, 19. September, ein Einblick gewonnen werden.

Kontakt:
Staatsarchiv Amberg
Archivstr. 3
92224 Amberg
Tel. 09621/307270, Fax 09621/307288
E-Mail: poststelle@staam.bayern.de

Quelle: Oberpfalznetz, 18.7.2003

Die Papiere von Salamanca

Wieder einmal flammt der mittlerweile 26 Jahre alte Streit zwischen Barcelona und Madrid auf, der im Kleinen das gestörte Verhältnis zwischen Region und Zentralregierung offenlegt. Die Rede ist von den „Papieren von Salamanca“, einer umfangreichen Personendokumentation aus katalanischen Gemeindearchiven, die Francos Truppen bei ihrem Eroberungsfeldzug während des Spanischen Bürgerkrieges konfiszierten und in Salamanca, dem provisorischen Hauptquartier des späteren Diktators, mit weiteren geraubten Dokumenten aus anderen Regionen zusammenführten.

Damit wurden amtliche Unterlagen zur Kriegsbeute und die Kriegsbeute zum unbegrenzt einsetzbaren Belastungsmaterial. Von 1937 an entstand in Salamanca ein Instrument zur Verfolgung von Kommunisten, Gewerkschaftern, Freimaurern und anderen Gegnern des neuen Regimes, eine Behörde, ohne deren furchterregende Gründlichkeit die von Franco veranlasste Repression des politischen Feindes zweifellos weniger gründlich ausgefallen wäre. Rund drei Millionen Karteikarten zeugen vom Erfassungswahn der Nationalisten, die ihren Kampf als politisch-religiösen „Kreuzzug“ verstanden; allein das Archiv zur Freimaurerei, noch immer in den Holzkästen von damals untergebracht, umfasst mehr 120.000 Namen.

Im Kern dreht sich der Streit um die Frage: Sind die geraubten Dokumente, nachdem der Diktator tot und seine Herrschaft seit Langem beendet ist, an die katalanischen Gemeinden zurückzugeben? Oder stellt das „Allgemeine Archiv des Spanischen Bürgerkriegs“, wie die Forschungsstelle in Salamanca seit 1999 offiziell heißt, eine historische Quelle dar, deren Einheit und Vollständigkeit zu wahren sei? Im vergangenen Sommer hatte ein vom spanischen Kulturministerium eingesetztes Patronat des Archivs das Begehren der Katalanen abermals abgelehnt. Dabei wurde ein Gutachten katalanischer Historiker ignoriert.

Je nach Blickwinkel und Lichteinfall schillert der Konflikt in völlig verschiedenen Farben: Die „Zentralisten“ sagen´, das Archiv in seinem gegenwärtigen Zustand stelle nicht nur eine Forschungsquelle für Historiker, sondern gleichsam ein Mahnmal gegen die Diktatur dar, indem es für die Nachwelt ein Abbild der Repression bewahre. Die „Regionalisten“ entgegnen, ebendarin bestehe der Skandal: das Unrecht von damals durch neues Unrecht zu verlängern, gewissermaßen das Spiel Francos zu spielen. Die „Zentralisten“ argumentieren, auch die Stasi-Akten in Deutschland würden zu Forschungszwecken erhalten. Wogegen die „Regionalisten“ einwenden, die katalanischen Unterlagen seien doch nicht mit der Absicht der Bespitzelung angelegt worden! Wäre es da nicht ein Akt der Wiedergutmachung, sie wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung zuzuführen?

So geht es hin und her. Unbeteiligte Außenstehende sind womöglich versucht zu fragen, ob man von den Dokumenten nicht Kopien machen und jeder Partei einen vollständigen Satz Mikrofilme überlassen könne? Beide Seiten beanspruchen allerdings die Originale.

Jetzt erst ist eine Studie erschienen, welche die Umstände des Dokumentenraubs rekonstruiert und daraus die Rechtmäßigkeit des katalanischen Anspruchs abzuleiten versucht:
„Els papers de Salamanca. Léxpoliació del patrimoni documental de Catalunya, 1938-1939“, Edicions 62. Der Autor Josep Cruanyes i Tor ist Jurist und Historiker in Barcelona. Als Anwalt vertritt er das Gesuch mehrerer Gruppen und Privatpersonen an den spanischen Staat, die Unterlagen zurückzugeben.

Nicht als einziger beklagt sich Cruanyes über eine mangelhafte Klassifizierung (also Entwertung) des Materials im Archiv von Salamanca. Doch er ist der erste, der belegen kann, wie rücksichtslos die Diktatur mit den geraubten Gemeindeakten umging, wenn sie nicht für die Verfolgung zu instrumentalisieren waren. Denn von den 160 Tonnen an Dokumenten, die 1939 in Eisenbahnwaggons von Barcelona nach Salamanca reisten, wurde nur etwa ein Zehntel tatsächlich archiviert. Prominente, die dem Regime nahestanden, erhielten die sie betreffenden Unterlagen mühelos zurück. Bei anderen Figuren, großen wie kleinen, wurde geschwiegen, gezaudert oder gelogen. Und rund neunzig Prozent des gesamten Materials, so Josep Cruanyes, wurden zu Papierbrei verarbeitet. Das Faktum dieser bedenkenlosen Zerstörung müsste bei der künftigen Bewertung des Streits eine Rolle spielen. Sollten die jüngsten Rückgabegesuche abgelehnt werden, entscheiden die Gerichte.

Quelle: FAZ, 16.7.2003, Nr. 162 / Seite 40.

Hauptausschuss Herdecke berät den Fall Rose

Herdecke/Herne. Erst in diesem Sommer wurde bekannt, dass der Historiker Olaf Rose sich weit rechtsaußen tummelte, wenn er nicht an seinem Schreibtisch im Stadtarchiv Herne saß, wo er für die Stadt das Thema Zwangsarbeit erforschte (s. Bericht). Heute befasst sich der Herdecker Hauptausschuss mit dem Fall.

Die Stadt Herne, die ihn über zwei Jahre als ABM-Kraft beschäftigte, hatte Konsequenzen aus dem fall gezogen: Eine Dokumentation „Zwangsarbeit und Kriegsgefangene in Herne und Wanne-Eickel zwischen 1940 und 1945“, für die Rose Texte liefern sollte, wird nicht erscheinen. Das Material „ist für uns wertlos“, befand Kulturdezernentin Dagmar Goch.

Herdeckes Hauptausschuss muss heute einen Bürgerantrag beraten, der fordert: Die Stadt solle auf die Dienste Roses verzichten. Er habe sich „für eine – ob offizielle, halboffizielle oder ehrenamtliche – Tätigkeit für die Stadt durch seinen Umgang mit Rechtsradikalen selbst disqualifiziert“.

Quelle: Westfälische Rundschau, 17.7.2003

Unterlagen aus den Keramischen Werken ins Stadtarchiv

Hermsdorf. Frühere Bestände aus dem Archiv der Keramischen Werke Hermsdorf sollen im Stadtarchiv Hermsdorf eingegliedert werden, bestätigte Hermsdorfs Bürgermeister Gerd Pillau dazu Gespräche mit der Firma Jenoptik in Jena. Der Zeiss-Nachfolger hatte in den 1990er Jahren den Firmennachfolger der Keramischen Werke in Hermsdorf übernommen und damit auch die Bestände. Die Stadt ist bestrebt, historische Unterlagen zur Firma wie auch zu Hermsdorf wieder ins Holzland zurück zu holen. Dagegen sollen Personaldokumente in Jena bleiben. 

Kontakt:
Stadtarchiv Hermsdorf
Eisenbergerstr. 56
07629 Hermsdorf
Tel.: (036601) 2701
Fax: (036601) 2703

Quelle: OTZ 17.7.2003

Erste konkrete Bestandsaufnahme der Kulturzerstörungen im Irak

Eine Woche lang sollten sich neun internationale Spezialisten für Archäologie, Museumskunde, Restaurierungseinrichtungen, Bibliotheken, Denkmalpflege und Interpol unter Leitung des stellvertretenden UNESCO-Generalsekretärs Bouchenaki über den Erhalt von Kulturgütern im Irak informieren (s. Bericht).

Das Ergebnis ist erschütternd, wie Margarete vann Ess, die wissenschaftliche Direktorin der Orient-Abteilung am Deutschen Archäologischen Institut in Berlin am 17. Juli in der FAZ berichtet: Im Süden des Landes werden archäologische Stätten, antike Hauptstädte wie Nippur und Isin, aber auch bislang wissenschaftlich nur wenig bekannte Orte systematisch geplündert und dadurch zerstört. Die Raubgräber wissen sich geschützt durch bewaffnete Hintermänner und ließen sich beispielsweise in Isin auch während des Besuches der UNESCO-Delegation nicht bei ihrer Arbeit stören.

Kulturgüter im Norden des Landes scheinen generell nicht so gefährdet zu sein wie diejenigen im Süden. Wichtige archäologische Orte wie Nimrud und Hatra werden jetzt effektiv durch Soldaten der Coalition Provisional Authorities (CPA) geschützt. Systematische Plünderungen, wie sie im Süden vorkommen, sind bislang nicht bekannt.

Ein wichtiger Teil des UNESCO-Gutachtens galt historischen Bauwerken in Bagdad, Basra, Erbil und Mossul. Nur wenige haben unter direkten Kriegseinwirkungen neue Schäden erlitten.

Mittlerweile dringt auch das Problem der Plünderungen archäologischer Stätten immer deutlicher ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit; Maßnahmen zum Schutz der Stätten werden seitens der CPA angekündigt und auch eingeleitet. Erste Konfiszierungen von Kunstobjekten aus geplünderten Orten werden publik. Im Mittelpunkt aber stehen nach wie vor die Ereignisse im Irak-Museum in Bagdad. Einen ersten vorläufigen Untersuchungsbericht stellte jetzt Matthew Bogdanos, der die dortigen Raubzüge im Auftrag des United States Central Command untersuchen soll, anlässlich einer internationalen Tagung in London vor. Noch einmal ließ er die Ereignisse revue passieren. Ausnahmslos alle bislang berichteten Zahlen, auch alle Informationen zu den verschwundenen Objekten in zeitungen und Internetforen waren nicht korrekt, betonte Bogdanos: Aus den Ausstellungsräumen wurden 40 Objekte gestohlen, davon sind zehn zurückgekommen. Aus den Restaurierungslaboren wurden 199 Objekte gestohlen, von denen 30 – überwiegend wertvolle Elfenbeinschnitzereien – zurückgegeben worden sind. Größere Verluste werden aus den Magazinräumen gemeldet, die für die Öffentlichkeit normalerweise verschlossen sind. Der Magazinkomplex wurde am 9. und 10. April militärisch genutzt, von dort aus wurde auf den Platz vor dem Museum geschossen. Plünderungen dieses Magazins wurden in zwei von drei Räumen festgestellt. Zur Zeit sind 2.703 Objekte als gestohlen gemeldet.

Die Untersuchungen werden weitergehen, die mühsame Arbeit der Mitarbeiter der irakischen Antikenverwaltung ist noch lange nicht abgeschlossen. Sie findet nach wie vor unter schwierigen Bedingungen statt.

Kontakt:
Orient-Abteilung  des
Deutschen Archäologischen Instituts
Podbielskiallee 69-71
14195  Berlin
Deutschland
Tel: Tel: +49-(0)1888-7711-0
Fax: +49-(0)1888-7711-189
E-Mail: orient@dainst.de

Quelle: FAZ, 17.7.2003, Nr. 163 / Seite 38.