In den unendlichen Weiten des »World Wide Web« hob Dr. Hans-Bodo Thieme einen Schatz. Der ehemalige Lehrer des Städtischen Gymnasiums Olpe (1969-1995) entdeckte, dass ein Würzburger Fachantiquariat ein besonderes Werk zum Verkauf anbot: »Quaestiones evangeliorum de tempore et de sanctis« von Kardinal Johannes des Turrecremata. Dabei ließen Inhalt und Autor der »Befragung der Evangelien über die Zeit und die Heiligen« den Finder eher kalt.
Spannender war der Name desjenigen, der dieses Werk im Jahr 1478 verlegt und den Druck in Auftrag gegeben hatte: Petrus in Altis de Olpe. Ein Olper Junge? Der Mediävist Dr. Thomas Wilhemi von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften bestätigte die Vermutung. Dann ging alles ganz schnell. Dr. Thieme schrieb Bürgermeister Horst Müller und empfahl ihm den Erwerb dieses wertvollen Zeugnisses Olper Vergangenheit. Und der Bürgermeister zögerte nicht. Am 8. Juli kaufte die Stadt Olpe für 3.000 EURO ein Stück Vergangenheit.
Gestern präsentierten »Käufer« und Finder gemeinsam mit Josef Wermert vom Olper Stadtarchiv das 278 Seiten starke Werk aus der Pionierzeit des Buchdrucks. Denn nur 22 Jahre nach der berühmten Gutenberg-Bibel wurde die »Befragung der Evangelien« auf schwerem Büttenpapier gedruckt. Bei dem Band handelt es sich um eine Inkunabel, einen Wiegendruck. Thieme erklärte: »Das Wort Inkunabel bedeutet Windel. Es spiele an auf den Zeitpunkt des Drucks im Jahr 1478. »An der Wiege der Buchdruckerkunst«, so Thieme. Das theologische Werk im so genannten Klein-Folio-Format ist mit gotischen Druckbuchstaben zweispaltig bedruckt. Es ist versehen mit zahlreichen rot eingemalten kleinen Initialen.
Der Einband aus Holz und Pergament ist beschädigt, die Schließen fehlen. Doch Hans-Bodo Thieme beruhigte: »Das Werk wird im Westfälischen Archivamt in Münster restauriert.« Keiner Überarbeitung bedürfen die Nachforschungen hinsichtlich des Herausgebers.
Petrus in Altis de Olpe stammte aus einer Bürgermeister-Familie, so Wermert. Er war Notar und Priester in Köln, später auch Kanoniker von St. Kunibert. Aus den Jahren zwischen 1476 und 1478 sind zehn unterschiedliche Drucke von ihm bekannt. Von denen befinden sich heute nur wenige Exemplare in Bibliotheken in Prag, Wien, Berlin und der des Britischen Museums in London. Sein Zuname ist nach der Gepflogenheit der Gelehrten damaliger Zeit latinisiert: in Altis. Seinen deutschen Namen erfuhren die Mitarbeiter des Stadtarchivs aus dem Immatrikulationseintrag an der Kölner Universität aus dem Jahre 1450. Dort heißt er »Petro de Alto alias van der Hoe«. Also: Petrus van der Hoe/ Peter von der Höhe. Er hatte sich 1450 für freie Künste und Geisteswissenschaften eingeschrieben. Und das Studium drei Jahre später abgeschlossen.
Wer in Norbert Scheeles »Olper Bürgerbuch« schaut, kommt schnell auf Peters Spur: 1450 gab es einen »Hannes op der Hoe«, 1487 einen »Joh. up der Hoe de Olppe«, ebenfalls als Student in Köln eingeschrieben. 1493 ein »Hinrich op der Hoe«, 1504 ein »Henrych uff der Hoy«, Alt-Bürgermeister zu Olpe, im Jahr 1511 Heynrich uff der Hoy«, Bürgermeister. Dazu Josef Wermert: »Wir sehen, die Familie gehörte damals zu den Honoratioren der Stadt Olpe.«
Quelle: Siegener Zeitung, 30.7.2003 (mit Foto).