Papierlose Büros haben Konjunktur

Vielen Stadtarchiven geht der Platz aus oder der Schimmelpilz sucht sie heim. Erst kürzlich hat das Esslinger Stadtarchiv Alarm geschlagen, es ersticke in der Aktenflut. Andere Archive, die sich mit Notmagazinen behelfen müssen, plagt der Schimmelpilz, etwa in Marbach im Kreis Ludwigsburg oder in Weinstadt im Rems-Murr-Kreis (siehe untenstehendes Interview). Auch Unternehmen, die Steuerrelevantes per Gesetz zehn Jahre aufbewahren sollten, verwalten die Aktenschwemme mit hohem personellem Aufwand in teuren Büroräumen. Die Stuttgarter Zeitung berichtet über die aus dieser Notlage resultierende Konjunktur eines auf Digitalisierung durch Scannen spezialisierten Dienstleisters.

Ist das Papier dort letztlich vollständig in die digitale Welt eingegangen, werden die Daten zur Sicherheit einmal auf CD oder DVD gebrannt und noch am selben Tag durchs Netz zum Kunden zurückgeschickt. Die Akte selbst wird noch ein paar Wochen aufbewahrt – ehe sie der Reißwolf frisst. Noch immer sei vielen Unternehmern die Vorstellung suspekt, dass das fassbare Papier verschwindet und Unterlagen nur noch virtuell existieren. Die Reservedatenträger werden jedoch vorsorglich alle zwei Jahre kopiert. Was jedoch nicht garantiert, dass sie lesbar bleiben. Die Entwicklung der Technologie und Datenträger über die Jahrzehnte zu verfolgen, sei Aufgabe der EDV-Abteilungen.

Auch manchen Kommunen ist das papierlose Büro eine Investition wert. Die Stadt Balingen lässt in diesen Tagen sämtliche Einwohnermeldeakten digitalisieren. Die rund 100.000 Akten wurden bisher in einem externen Gebäude gelagert, das die Stadt nun anderweitig nutzen kann. Außerdem wird das Einwohnermeldeamt die Polizei künftig schneller mit Informationen versorgen können – nicht mehr mit Kopien der Akten allerdings, die auf das Faxgerät gelegt werden, sondern auf elektronischem Wege.

In einem Interview wurde der Archivar der Stadt Weinstadt, Thomas Schwabach, gefragt, inwieweit moderne Computertechnik in den oben geschilderten Notlagen der Archive eine Hilfe sein kann.

Warum lassen Sie den Bestand Ihres Weinstadter Archivs nicht einfach digitalisieren?

Bei unserem Archivgut handelt es sich vorwiegend um Originaldokumente seit dem 15. Jahrhundert – also um Kulturgüter, die im Original zu erhalten und zu schützen sind. Sie zu digitalisieren birgt Risiken, denn die Technik verändert sich so rasch, dass die Daten nach nur wenigen Jahren nicht mehr ohne immensen Aufwand benutzt werden können. Als abschreckendes Beispiel seien die digitalen Daten der Viking-Marsmission der USA genannt, die heute nicht mehr lesbar sind.

Die Digitalisierung kommt also nur als Zusatzmaßnahme in Frage?

Als solche hat sie zweifellos Vorteile: Die erfassten Daten können etwa für Forschungszwecke ins Internet gestellt werden und sind auch für die Besucher des Archivs leichter zugänglich. Angesichts der hohen Kosten kommt Digitalisierung aber nur für einzelne Archivalien in Frage.

In Weinstadt gibt es Überlegungen, Verwaltungsvorgänge durch die EDV zu optimieren. Sie kommen in Zukunft nicht umhin, elektronische Daten zu archivieren.

Ja, das Problem stellt sich über kurz oder lang. Als Zwischenlösung bietet sich nur an, die archivwürdigen Datenbestände auf alterungsbeständigem Papier auszudrucken oder auf Mikrofilm zu kopieren. Ein Archiv sollte bei der Einführung elektronischer Bürosysteme unbedingt beteiligt sein.

Kontakt:
Stadtarchiv Weinstadt
71373 Weinstadt
Tel.: (07151) 693-289

Quelle: Stuttgarter Zeitung, 21.7.2003.

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