Erste konkrete Bestandsaufnahme der Kulturzerstörungen im Irak

Eine Woche lang sollten sich neun internationale Spezialisten für Archäologie, Museumskunde, Restaurierungseinrichtungen, Bibliotheken, Denkmalpflege und Interpol unter Leitung des stellvertretenden UNESCO-Generalsekretärs Bouchenaki über den Erhalt von Kulturgütern im Irak informieren (s. Bericht).

Das Ergebnis ist erschütternd, wie Margarete vann Ess, die wissenschaftliche Direktorin der Orient-Abteilung am Deutschen Archäologischen Institut in Berlin am 17. Juli in der FAZ berichtet: Im Süden des Landes werden archäologische Stätten, antike Hauptstädte wie Nippur und Isin, aber auch bislang wissenschaftlich nur wenig bekannte Orte systematisch geplündert und dadurch zerstört. Die Raubgräber wissen sich geschützt durch bewaffnete Hintermänner und ließen sich beispielsweise in Isin auch während des Besuches der UNESCO-Delegation nicht bei ihrer Arbeit stören.

Kulturgüter im Norden des Landes scheinen generell nicht so gefährdet zu sein wie diejenigen im Süden. Wichtige archäologische Orte wie Nimrud und Hatra werden jetzt effektiv durch Soldaten der Coalition Provisional Authorities (CPA) geschützt. Systematische Plünderungen, wie sie im Süden vorkommen, sind bislang nicht bekannt.

Ein wichtiger Teil des UNESCO-Gutachtens galt historischen Bauwerken in Bagdad, Basra, Erbil und Mossul. Nur wenige haben unter direkten Kriegseinwirkungen neue Schäden erlitten.

Mittlerweile dringt auch das Problem der Plünderungen archäologischer Stätten immer deutlicher ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit; Maßnahmen zum Schutz der Stätten werden seitens der CPA angekündigt und auch eingeleitet. Erste Konfiszierungen von Kunstobjekten aus geplünderten Orten werden publik. Im Mittelpunkt aber stehen nach wie vor die Ereignisse im Irak-Museum in Bagdad. Einen ersten vorläufigen Untersuchungsbericht stellte jetzt Matthew Bogdanos, der die dortigen Raubzüge im Auftrag des United States Central Command untersuchen soll, anlässlich einer internationalen Tagung in London vor. Noch einmal ließ er die Ereignisse revue passieren. Ausnahmslos alle bislang berichteten Zahlen, auch alle Informationen zu den verschwundenen Objekten in zeitungen und Internetforen waren nicht korrekt, betonte Bogdanos: Aus den Ausstellungsräumen wurden 40 Objekte gestohlen, davon sind zehn zurückgekommen. Aus den Restaurierungslaboren wurden 199 Objekte gestohlen, von denen 30 – überwiegend wertvolle Elfenbeinschnitzereien – zurückgegeben worden sind. Größere Verluste werden aus den Magazinräumen gemeldet, die für die Öffentlichkeit normalerweise verschlossen sind. Der Magazinkomplex wurde am 9. und 10. April militärisch genutzt, von dort aus wurde auf den Platz vor dem Museum geschossen. Plünderungen dieses Magazins wurden in zwei von drei Räumen festgestellt. Zur Zeit sind 2.703 Objekte als gestohlen gemeldet.

Die Untersuchungen werden weitergehen, die mühsame Arbeit der Mitarbeiter der irakischen Antikenverwaltung ist noch lange nicht abgeschlossen. Sie findet nach wie vor unter schwierigen Bedingungen statt.

Kontakt:
Orient-Abteilung  des
Deutschen Archäologischen Instituts
Podbielskiallee 69-71
14195  Berlin
Deutschland
Tel: Tel: +49-(0)1888-7711-0
Fax: +49-(0)1888-7711-189
E-Mail: orient@dainst.de

Quelle: FAZ, 17.7.2003, Nr. 163 / Seite 38.

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