Brigitte Streich ist die Hüterin der Wiesbadener Vergangenheit. Herrin über 1.280 laufende Meter verzeichneter Akten und Amtsbücher, über zirka 60 Nachlässe, etwa 40 Archive von Vereinen und Verbänden, über Karten und Pläne, Plakate, Bilder und zirka 23.000 Microfiches.
Nach zwei abgeschlossenen Ausbildungen kam der heute 49-jährigen die Idee zu studieren. Die Fachhochschulreife hat sie nachgeholt und entscheidet sich 1977 für Romanistik und Geschichte. Und auch für den Assistenten ihres Professors, bei dem sie über den Hof der Kurfürsten von Sachsen im späten Mittelalter promoviert. Der Assistent wird geheiratet, der Professor, selbst Archivar, gibt den Anstoß für die endgültige berufliche Richtung. Brigitte Streich studiert am Institut für Archivwissenschaften in Marburg. Nach ihrem Abschluss arbeitet sie zwei Jahre als Archivrätin in Magdeburg, leitet sieben Jahre das Stadtarchiv in Celle und ist vor zwei Jahren nach Wiesbaden gezogen, um Archivdirektorin zu werden.
Bei Archivaren denken viele Leute an verstaubte Sonderlinge, meint die FR in ihrem Porträt der Archivarin. „Das Vorurteil begegnet einem überall. O.k., zu den Akten werden wir in Keller oder Dachböden geführt, da ist es schon staubig.“ Die Aufgabe ist aber eher das Gegenteil von Staub: „Wir haben dafür zu sorgen, dass etwas bleibt, zu erkennen, was in 50 Jahren mal wichtig sein könnte, es aufzubereiten und für die Öffentlichkeit nutzbar zu machen. Wir forschen selbst und halten Vorträge.“
Brigitte Streich mag besonders die Wiesbadener Wirtschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts. Ihr „Herzblut“ aber hängt an der frühen Neuzeit. „Zum Beispiel sind da die Briefe eines Fürsten aus dem frühen 16. Jahrhundert, die sind so drastisch, der nahm kein Blatt vor den Mund.“ Die Quellen würden ärmer, je moderner sie seien. Geschichte sei zudem nie langweilig. „Wenn man sich lange mit ihr beschäftigt, fängt sie an zu leben.“
Kürzlich wurde Brigitte Streich zur Landesvorsitzenden der Archivare gewählt. „Der hessische ist der erste Landesverband in den alten Bundesländern, da kommt erstmal viel Schreibkram auf mich zu.“
Sie ärgert die Lage des Wiesbadener Stadtarchivs. „Hier Im Rad wirken wir gar nicht als Teil der Stadtverwaltung. Und es kommt auch nicht so schnell mal jemand vorbei.“ Ihr Wunsch und ihr Ziel ist es aber, das Stadtarchiv „zu einer Institution für alle“ zu machen. Denn die 1.280 laufenden Meter Akten und mehr sind für jeden zugänglich.
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Stadtarchiv Wiesbaden
Im Rad 20
65197 Wiesbaden
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Quelle: FR vom 16.7.2003