Neues aus dem Archiv der Glaubenskongregation

Der Münsteraner Kirchenhistoriker und Leibnizpreisträger Hubert Wolf berichtet erneut für die FAZ aus den seit 1998 zugänglichen Akten im Archiv der römischen Glaubenskongretation.

Im Inquisitionsarchiv befinden sich zahlreiche Akten zu jüdischen Themen, wobei es vor allem um das Zusammenleben von Juden und Christen gehe – um Handelsstreitigkeiten etwa oder um Mietpreisregelungen im Ghetto. Mehr als zweihundert Bände vor allem aus dem 18. und 19. Jahrhundert mit einem Umfang von bis zu tausend Blättern haben sich allein in der „Stanza Storica“, einem umfangreichen Miscellanae-Bestand des Archivs, erhalten.

Diese bieten einen wichtigen Ansatzpunkt für die historische Forschung, der Anliegen es sein müsse, so Wolf, das verhältnis von Judentum und Katholizismus in einer „longue durée“ zu betrachten. Die ausschließliche Konzentration auf Pius XII. und den Holocaust würde den vielfältigen Dimensionen des Gesamtthemas nicht gerecht werden. Das umfangreiche Material zeige, wie wenig die gängigen Klischees vom Verhältnis zwischen Inquisition und Judentum geeignet seien, die historische Vielschichtigkeit ihrer Beziehung zu beschreiben. So sei zumindest für das 19. Jahrhundert eine neutrale bis wohlwollende Einstellung der Behörde gegenüber jüdischen Anbliegen festzustellen.

Anders als für den Bereich der bisher erforschten spanischen und portugiesischen Inquisition, wo alles Jüdische (und Muslimische) konsequent verfolgt wurde, zeichneten die römischen Akten ein anderes Bild. Die 1542 vorwiegend zur Abwehr des Protestantismus gegründete „Heilige Römische und Universale Inquisition“ war nicht nur für sämtliche jüdischen Belange, sondern auch Appelationsgericht – und zwar für ganz Italien. Sie nahm dabei eine doppelte Aufgabe wahr, indem sie einerseits die Christen vor den Juden zu „schützen“ hatte und andererseits die Juden vor den Christen.

Am Beispiel der römischen Oblatio-Akten, die sich auf die vor allem im 18. Jahrhundert in Oberitalien verbreitete Praxis der Zwangstaufe jüdischer Kinder durch zum Christentum konvertierte Verwandte beziehen, führt Wolf vor, dass sich ein eindeutiger Antisemitismus im Verhältnis der Inquisition zu den Juden nicht feststellen lasse. Vielmehr handele es sich um „ein durchaus ambivalentes Verhältnis“, das man vor dem Hintergrund der vormodernen Verhältnisse im Italien des 18. und 19. Jahrhunderts zu beurteilen habe: Es existierte weder eine Trennung von Staat und Kirche, noch Religionsfreiheit. Innerhalb dieses Rahmens sorgte die Inquisition für eine gewisse Rechtsordnung nach dem prinzip der doppelten Schutzherrschaft, die sich vor allem auch in der Kontrolle der Willkür lokaler Kirchenbehörden gezeigt hätte. In Bezug auf die Oblatio bedeutete das, dass man nicht um jeden Preis Seelen zugewinnen versuchte, sondern auf eine ernsthafte Bekehrung hinzuwirken versuchte. Benedikt XIV. lehnte im jahr 1747 die Taufe jüdischer Kinder ohne elterliche Zustimmung grundsätzlich ab.

Kontakt:
Prof. Dr. Hubert Wolf
Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte
der Katholisch-Theologischen Fakultät der WWU Münster
Johannisstraße 8-10
48143 Münster
hwolf@uni-muenster.de

Link: DFG-Projekt „Römische Inquisition und Indexkongregation in der Neuzeit„: www.buchzensur.de

Quelle: FAZ, 5.7.2003, Seite 38.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.