Im Sommer 2002 tauchte im Staatsarchiv München eine Akte auf, die lange Zeit als verschollen galt: die Ermittlungsunterlagen über das Bombenattentat auf Bundeskanzler Konrad Adenauer am 27. März 1952 in München. Die Urheber des Anschlags stammten offenbar aus den Reihen der 1948 aufgelösten jüdischen Organisation „Irgun Zwai Leumi“ (auch „Etzel“ genannt). Keiner der mutmaßlichen Täter stand je vor Gericht. Das Ermittlungsverfahren wurde 1978 eingestellt.
In der FAZ vom 4.7.2003 berichtet Henning Sietz, Autor des in wenigen Tagen im Siedler Verlag erscheinenden Buches „Attentat auf Adenauer. Die geheime Geschichte eines politischen Anschlags“ über die Hintergründe.
Zwei Münchner Jungen bewahrten damals Bundeskanzler Konrad Adenauer vor dem Bombenanschlag. Sie hatten von einem Mann ein an den Kanzler adressiertes Paket erhalten, es aber der Polizei übergegeben. Es enthielt eine Bombe, die einen Sprengstoffexperten bei der Kontrolle des Konvoluts das Leben kostete. Diese Bombe sollte offenbar die Wiedergutmachungsverhandlungen, die am 21.3.1952 in Wassenaar bei Den Haag zwischen Deutschland und Israel begonnen hatten, stören.
Das misslungene Attentat auf den Kanzler war der Auftakt zu einer der „sonderbarsten Ermittlungen in der Geschichte der Bundesrepublik“, wie Sietz schreibt. Obwohl der Anschlag von München etwa zwei Wochen das beherrschende Thema der Presse war, sei er heute fast völlig vergessen. Grund dafür ist die Geheimhaltung, zu der sich die Behörden ab etwa Mitte April 1952 gezwungen sahen. Denn schon nach kurzer Zeit offenbarten die Ermittlungen, dass die Bombe, der noch zwei weitere Sprengsätze folgen sollten, nicht die Ausgeburt eines Verrückten war, sondern ein wohl kalkulierter, politisch motivierter Anschlag, der verhindern sollte, dass die Bundesrepublik die Rückkehr in die Gemeinschaft der (westlichen) Staaten gelang.
>> Henning Sietz, Jahrgang 1953, studierte Slawistik und arbeitet als freier Journalist in Hamburg.<<
Quelle: FAZ, 4.7.2003, Seite 8.