Es war eine seltsame Mischung aus Dementi und Dennoch, mit der Christian Ude die lang erwartete Ausstellung „Nationalsozialismus in München – Chiffren der Erinnerung“ eröffnete. „Keine einzige Aussage war falsch oder unzutreffend“, verteidigte Münchens Oberbürgermeister die letztes Jahr von ihm selbst abgesetzte Schau, wie die FR am 25.6. berichtet. Dann erst sagte Ude, weshalb er die Überarbeitung eines zentralen Teils städtischer Selbstdarstellung gefordert hatte. Es ging ihm um die „Stimmung“ der Ausstellung. Ein recht vager Begriff, aber ein Schlüssel für die gesamte Kontroverse. Im August 2002 nämlich hatte der SPD-Politiker die unfertige Präsentation noch als „SA-Lederhosenschau“ verurteilt und der freien Kuratorin Brigitte Schütz eine „kritiklose Ansammlung von Devotionalien“ vorgeworfen. Die Dauerausstellung wurde erst gar nicht eröffnet, niemand konnte die Angelegenheit vor Ort überprüfen. Ist nun alles anders geworden?
Dass die Landeshauptstadt den Nährboden für Hitlers Aufstieg bildete, dass hier die NSDAP gegründet wurde, die SS und SA, und München bis zuletzt Sitz der Partei blieb, sind die zentralen Aussagen der Ausstellung, ihr kleines „Einmaleins“, wie Schütz sagt. Vor Ort und mit Blick auf Bayern soll die verhängnisvolle Mischung aus Reichskampfbünden, völkischer Kampfpresse und rassistisch-dumpfer Stammtischmentalität chronologisch, also vom Ende des Ersten Weltkriegs an, gezeigt werden.
Mit zahlreichen Originaldokumenten versucht die Ausstellung greifbar zu machen, was einen sprachlos macht. Deshalb kommt dem einzelnen Objekt eine solche Bedeutung zu. Es wird dazu auf den Sockel gehoben, buchstäblich; Uniformen stehen in gläsernen Schneewittchensärgen, und Schriftstücke liegen auf metallenen Kathedern. Von Objekt zu Objekt will die Kuratorin die Besucher durch „Wechselbäder kritischer Rekonstruktion“ leiten. Beanstandete Stücke – Nazi-Kitsch, mit dem München seinen Ruf als Kunststadt auch im „Dritten Reich“ gewinnbringend vermarktete – sind von Infotafeln umstellt. Sie sollen nicht mehr für sich selbst sprechen. Der Porzellan-Schäferhund aus der SS-Manufaktur Allach etwa blieb nur, weil das Foto eines Zwangsarbeiters hinzukam, der dort schuften musste.
Die nun frei gegebene Dauerausstellung verzettelt sich nach Auffassung der FR, so als läge der Schlüssel zum Verständnis gesellschaftlicher Prozesse in der unsystematischen Präsentation von Details, von NS-Gegenständen: Parteiabzeichen, Generalplänen für das neue München oder gar NS-Kitsch. Die Schau breitet Material aus, wo ein Statement gereicht hätte. Was kann Hitlers Globus vermitteln von den Allmachtsträumen der Nationalsozialisten? Und was ein Papierfähnchen mit Hakenkreuz?
Dabei gibt es durchaus Dokumente, die nachdenklich machen. Narben überziehen den Rücken von Sebastian Nefzger, den SS-Schergen am 26. Mai 1933 im KZ Dachau ermordeten. Die Gerichtsbilder zeigen schwerste Misshandlungen. Solche Dokumente des Grauens haben freilich einen schweren Stand gegen die dominante Ausstellungsarchitektur. Stellenweise scheint die Inszenierung völlig überfordert und aus dem Ruder geraten. Mit ihren genieteten Metalloberflächen gleicht die Schau einem großen Ausstellungs-U-Boot.
Es ist mitnichten alles anders geworden. Die Präsentation wurde abgeändert, und ein beanstandetes Stück verschwand. Aber bis auf den Röhm-Dolch ist alles an Ort und Stelle geblieben. Nur die Ausgangslage für die Kritik hat sich geändert.
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