Zufallsfund klärt Nutzung des Neusser Regulierherren-Klosters

Ein Zufallsfund im Stadtarchiv Neuss erlaubte Archivleiter Dr. Jens Metzdorf die Frage nach dem Standort einer Großbäckerei der französischen Armee zu beantworten, die sich zumindest in den Jahren 1794 und 1795 in der Stadt befunden hat, wie verschiedene Quellen dokumentieren. Wie ngz-online (Neuss-Grevenbroicher Zeitung) am 9.5. berichtet, fand Metzdorf im Archiv zufällig einen Grundriss des Regulierherrenklosters an der Brückstraße. Der gibt nicht nur Aufschluss über die Anlage dieses imposanten Baus im „Klosterviertel“ rund um den heutigen Omnibusbahnhof, sondern belegt auch die Nutzung als Heeresbäckerei.

Diese Aussage ist für den Historiker mehr Gewissheit als These. Denn in den Beständen, die noch nicht über Findbücher erschlossen sind, förderte er vor etwa zwei Wochen einen Grundriss des Klostergebäudes zutage, von dem offensichtlich niemand etwas geahnt hat. Schließlich wurde in allen Veröffentlichungen zu diesem Kloster, dem für Metzdorf schönsten und bedeutendsten innerhalb der Stadtmauern, stets bedauernd darauf hingewiesen, dass über die Aufteilung des Gebäudes nicht das Geringste bekannt sei. Dieser Grundriss, offensichtlich auf dem Reißbrett eines französischen Offiziers entstanden, ändert das.

Wie er in den Bestand des Stadtarchivs kam, weiß Metzdorf nicht, und über den Anlass für diese präzise Zeichnung muss er spekulieren: Vielleicht entstand sie als Aufmaß für den Einbau der Bäckerei? Aber dass die Franzosen dort Kommissbrot backten, steht für ihn außer Frage. Und das nicht in kleinen Mengen. Über das Tempo allerdings, mit dem sie dabei ans Werk gingen, kann der Archivar nur staunen. Am 5. Oktober 1794 standen die Truppen des revolutionären Frankreich, im Krieg gegen die Koalitionstruppen aus Preußen und Österreich, in der Stadt. Am 9. Oktober waren die damals wohl knapp 20 Kanoniker ausquartiert, das Kloster beschlagnahmt und als Hauptquartier mit fünf Generälen und 30 Offizieren belegt. Und schon Tage später mussten 100 Bauern aus dem Amt Grevenbroich aufgeboten werden, die, so der Eintrag im Tagebuch eines Neussers, sich mit Äxten auf dem Markt einzufinden hatten um Holz zu fällen für die Bäckerei.

Für Metzdorf steht damit fest: Die sechs Backöfen (jeder mit einem Durchmesser von etwa drei Metern), die der Plan im ehemals wohl als Wohngebäude dienenden Klosterteil in Grundriss- und Ansichtszeichnung belegt, wurden in Rekordzeit gebaut und in Betrieb genommen. Mindestens ein Jahr brummte der Betrieb in der „Manutention“, der Heeresbäckerei wie auf dem Plan vermerkt ist. Auch dafür finden sich Hinweise im zitierten Tagebuch. Am 3. April steht dort notiert, dass zwei Bataillone mit 1400 Soldaten und 300 Bäckern in Neuss einrückten.

Vom 6. Juli wiederum datiert ein Befehl aus dem Generalquartier, täglich 45.000 Rationen Brot zu backen. Damit, so vermutet Metzdorf, wurden die Truppen versorgt, die vor dem Sprung über den Rhein im September 1795 am linken Niederrhein zusammen gezogen wurden. Schuf der Bau der Bäckerei den Anlass, so ist dieser einzige Grundriss doch auch in anderer Hinsicht aufschlussreich für den Historiker.

So werden Details bestätigt, die auf den im Clemens-Sels-Museum gezeigten Ansichten abgebildet sind. Eine Zisterne zum Beispiel oder die beiden Zwiebeltürmchen an der Ostseite, die keine erkennbare keine Funktion hatten, sondern nur die Fassade zur Stadtmauer hin schmücken sollten. Nicht zuletzt belegt die Zeichnung, dass die geistlichen Herren nach den Regeln des heiligen Augustinus aber nicht beengt lebten. Das um 1600 errichtete und nach 1720 erweiterte Kloster für die Regulierherren, die bis dahin vor den Stadtmauern am Obertor lebten, weist einen großzügigen Grundriss auf.

Kontakt:
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Oberstraße 15
41460 Neuss
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