MOnasteriuM – Die mittelalterlichen Urkunden der Klöster des Landes Niederösterreich (A) im Internet
von Dr. Thomas Aigner
Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten besitzen zahlreiche Institutionen der römisch-katholischen Kirche in Österreich, vor allem die Stifte der sog. „alten Orden“ wie Benediktiner oder Augustiner – Chorherren, eine z. T. bis ins Frühmittelalter zurückreichende, bis heute ungebrochene Kontinuität. Dies ist auf die eher moderate, weniger rigorose Durchführung von Säkularisationen von Kirchengut unter Kaiser Joseph II. zu Ende des 18. Jahrhunderts zurück zu führen, als dies etwa ab 1803 in Deutschland erfolgt ist. Insgesamt überstanden im Bereich des heutigen Bundeslandes Niederösterreich und der Bundeshauptstadt Wien elf alte Ordensstifte diese Epoche und existieren bis heute als solche. Dies hat zur Folge, dass sich nahezu die gesamte archivalische Überlieferung dieser Häuser vom Mittelalter, von den Zeiten ihrer Gründung an, bis heute auch dort erhalten hat. Die einzelnen Stiftsarchive werden heute daher nicht in staatlichen Archiven aufbewahrt, sondern dort, wo sie entstanden sind – in den Stiften. Wenngleich einzelne Konvente mit nicht allzu vielen Mönchen bzw. Chorherren besetzt sind, besitzt doch jedes Kloster einen eigenen Archivar, durch den es für die Forschung möglich wird, das jeweilige Quellenmaterial zu benützen. Herzstück jeden Stiftsarchives ist natürlich die Urkundenreihe, die zumeist bis in die Zeiten der Gründung zurück reicht und sehr oft als „bedeutendstes“ Stück den (meist unechten) Stiftungsbrief enthält. Insgesamt verwahren die noch bestehenden Ordensstifte Niederösterreichs und Wiens ca. 15.000 mittelalterliche Urkunden. Zu dieser Zahl kann man noch jene Stücke rechnen, die ebenfalls aus klösterlichen Archiven stammen, durch deren Säkularisierung zu Ende des 18. Jahrhunderts jedoch in andere, heute zumeist staatliche Archive gelangt sind. Dabei handelt es sich schätzungsweise um noch einmal so viele Diplome, die vor allem im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien und im Niederösterreichischen Landesarchiv in St. Pölten aufbewahrt werden.
Grundsätzliches
Um umfassende, gezielte Recherchen in Beständen der niederösterreichischen Klosterurkunden durchführen zu können, ist es derzeit notwendig, all die verschiedenen Bücher, die solche Diplome enthalten, durchzusehen oder die entsprechenden Archive aufzusuchen; ganz abgesehen von jenen Stücken, die noch nicht im Druck vorliegen. Bestimmte Themen bzw. Fragestellungen können daher nur schwer bzw. überhaupt nicht bearbeitet werden, da man auf das jeweilige Register angewiesen ist. Will man etwa die Geschichte einer bestimmten Region oder Person (z. B. Abt, Geistlicher, Adeliger etc.) erforschen, so müssen zuerst die Register der einzelnen Bücher durchgesehen werden.
Der Grundgedanke des Projektes MoM (=lat., mittelalterliche Abkürzung für „monasterium“) setzt daher an zwei Punkten an:
1. an der Zuhilfenahme moderner Hilfsmittel zur Bereitstellung und Vernetzung des bereits publizierten Materials, sowie
2. an der Neubearbeitung noch unerschlossener Urkunden und deren Vernetzung mit den bereits existierenden Editionen.
Ziel ist eine Datenbank mit sämtlichen Texten/Regesten der niederösterreichischen und Wiener Klosterurkunden, verknüpft mit den Abbildungen der Originale, die im Internet für jedermann(frau) unter Zuhilfenahme diverser Abfragemöglichkeiten benützbar sein soll. Sämtliche Arbeiten an der Entwicklung dieser Möglichkeiten sowie die Digitalisierung der gedruckten Urkundenbücher werden in enger Zusammenarbeit mit der Firma AUGIAS-Data in Senden bei Münster durchgeführt. Durch die digitale Bereitstellung der Urkunden in Bild und Text im Internet werden sich völlig neue, bisher ungeahnte Forschungsperspektiven eröffnen. Zeit und Raum werden sich in Luft auflösen und es wird für die Forschung letztendlich unerheblich sein, wo das betreffende Stück physisch aufbewahrt wird. Im virtuellen Raum wird es für jeden Benutzer/jede Benutzerin möglich sein, physisch durch ihre gemeinsame Aufbewahrung zusammen gehörende Archive aufzulösen und zu neuen Einheiten nach seinen/ihren eigenen Kriterien zusammenzustellen (ähnlich einem „Warenkorb“). Man denke hier nur an die Ausfertigungen kleinerer Adeliger, die sich nur in geistlichen Archiven erhalten haben, weil das Burgarchiv schon seit mehreren Jahrhunderten nicht mehr existiert, oder an die Urkunden aufgehobener Klöster, die nun nach mehr als 200 Jahren u. a. wieder am Ort ihrer früheren Aufbewahrung und dessen Umgebung überall dort, wo ein Internetanschluss vorhanden ist, digital vorhanden sein werden. Durch die Bereitstellung der Stücke in Bild und Text wird man die Möglichkeit haben, über den Inhalt hinaus auch Überlegungen zu äußeren Merkmalen bzw. Schreibern bequem anstellen zu können. Zur Bearbeitung bestimmter Themen wird es nicht mehr notwendig sein, in den Registern mehrerer Bücher zu suchen, sondern über Volltext-Suche oder Recherche im Generalindex schnell zu Ergebnissen zu gelangen.
Ausblicke
Mit dem Projekt MOM wird der Versuch unternommen, einerseits die Möglichkeiten neuer Technologien für neue Forschungsansätze in der Geschichtswissenschaft einzusetzen, andererseits bei den Trägern von kirchlichen (r.k.) Archiven ein erweitertes Bewusstsein zu schaffen, dass die von ihnen verwahrten Geschichtsquellen Teil des allgemeinen kulturellen Erbes und historischen Gedächtnisses eines Landes sind. Mit den Urkunden der Klöster des Landes Niederösterreich soll ein Anfang gemacht werden; dabei kann es aber nicht bleiben, zu sehr waren bzw. sind diese Institutionen von Beginn ihrer Gründung mit Häusern anderer Länder „vernetzt“, um es mit einem modernen Begriff auszudrücken. Langfristig sollte es ein Ziel sein, die wesentlichsten Quellen des mitteleuropäischen Kulturraumes auf diese Art zu erfassen und der Forschung bereitzustellen. Erste Schritte in diese Richtung wurden durch Kooperationen etwa mit dem Archiv der Erzabtei Pannonhalma in Ungarn oder dem Archiv des Bistums Passau bereits gesetzt.«
Auszug aus: Archivpflege in Westfalen und Lippe, Heft 58 (April 2003), S. 43-44.
Für nähere Informationen, Anfragen oder Anregungen steht gerne zur Verfügung:
Dr. Thomas Aigner, Archivdirektor,
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